Wer zuletzt lacht, küsst am besten: Roman (German Edition)
Ahnung von Vinces »Zahntarif« und würde wahrscheinlich auch nie etwas darüber erfahren, und außerdem bestand überhaupt keine Veranlassung dazu, dass Vince an der Trauerfeier für ihren Vater teilnahm. Vince hatte Clive nicht mal gekannt, und auch wenn es Sadie getröstet hätte, seine warme Hand in ihrem Kreuz zu spüren, war es doch besser, dass er nicht da war. Seine Anwesenheit hätte dem Tratsch noch eine weitere, pikantere Ebene verliehen, die sie wirklich nicht gebrauchen konnte.
Es war wirklich süß von Vince, dass er sie nach dem Tod ihres Vaters nach Amarillo und danach zum Beerdigungsinstitut gefahren hatte, aber ihr Freund war er trotzdem nicht. Egal wie gern sie ihn mochte, sie durfte niemals vergessen, dass ihre Beziehung zeitlich begrenzt war, und außerdem, wie sie, seit sie vor zwei kurzen Monaten in die Stadt geschneit war, schmerzlich hatte erfahren müssen, änderte sich das Leben manchmal in Sekundenschnelle, und nichts war mehr wie vorher.
Ihr Leben hatte sich von Grund auf verändert. Sie musste über vieles nachdenken. Viele Entscheidungen treffen. Aber nicht heute. Heute war die Beerdigung ihres Daddys, und sie musste den Tag irgendwie durchstehen, immer schön eine Minute und eine Stunde nach der anderen.
»Du armes Waisenkind.« Tante Ivella schlang die Arme um Sadies Hals. Sie roch nach Haarspray und Puder. »Wie geht es dir?«
Sie wusste es ehrlich gesagt selbst nicht. »Mir geht’s gut.«
»Tja, nichts trocknet schneller als eine Träne.« Ivella zog sich zurück. »Es war ein schöner Gottesdienst, und so viele Menschen! Himmel, sie mussten sogar noch ein zweites Buch auftreiben.«
Sadie verstand diesen Kult um Trauerbücher nicht. Vielleicht fanden manche Menschen Trost darin, doch sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, es sich jemals anzusehen.
»Hol dir was zu essen. Es gibt Unmengen. Charlotte hat ihren Cherry Pie gebacken. Wie sie ihn immer an Weihnachten macht.«
»Mach ich.« Sie nippte an ihrem Tee. »Danke fürs Kommen, Tante Ivella.«
»Das ist doch selbstverständlich. Du gehörst zur Familie, Sadie Jo.«
Dutzende Verwandte vonseiten ihrer Mutter waren gekommen, um Clive die letzte Ehre zu erweisen. Die meisten von ihnen hatten irgendeinen Auflauf oder einen Rührkuchen abgeliefert und waren nach einer Stunde wieder gegangen. Die betagteren Tanten hingegen hatten sich aufs Buffet gestürzt und gedachten, länger zu bleiben.
»Und auch wenn Clive schwierig sein konnte«, fuhr Ivella salbungsvoll fort, »so hat er doch auch zur Familie gehört.«
Was eine der nettesten Bemerkungen war, die Ivella je über den Mann ihrer verstorbenen Schwester gemacht hatte. Sadie hatte großen Wert darauf gelegt, allen zu danken, die am Gottesdienst teilgenommen hatten und zu ihr nach Hause gekommen waren, war sich aber sicher, bestimmt jemanden übersehen zu haben. Jemanden, der ihr diese Brüskierung noch zehn Jahre nachtragen würde.
Sie entschuldigte sich, und auf dem Weg aus dem Wohnzimmer lief sie Onkel Frasier und Tante Pansy Jean in die Arme. Es war nach vier Uhr nachmittags, und Frasier konnte es kaum erwarten, bis endlich Cocktailstunde war. Er erzählte einen leicht schlüpfrigen Witz, und Pansy Jean tratschte über die Pickled-Relish-Fehde zwischen Margie und Tamara. »Tamara Perdue war schon immer ein Flittchen«, lästerte sie.
Nach einer Weile schlüpfte Sadie unbemerkt in die Küche und füllte sich ihr Glas mit Tee auf. Sie tat sich ein paar Eiswürfel hinein und rollte den Kopf hin und her. Von den vielen Umarmungen bekam sie einen steifen Hals, und ihre Füße in den gut sieben Zentimeter hohen Pumps taten ihr langsam weh. Sie fragte sich, ob es auffiele, wenn sie sich kurz nach oben schlich und sich andere Schuhe anzog.
»Wie ich höre, verbringst du viel Zeit mit Vincent.«
Sadie erkannte die vom Tabak raue Stimme, schon bevor sie sich umdrehte. »Hallo, Mrs Jinks.« Luraleen trug ein rosafarbenes Westernhemd und lange Perlenohrringe, die bis zu ihren knöchrigen Schultern in ihrem »Sagenhaften Las-Vegas-T-Shirt« baumelten. Vinces Tante hielt eine abgedeckte Schüssel in den Händen. »Ich wusste gar nicht, dass Sie schon zurück sind.«
»Ich bin erst heute Morgen nach Hause gekommen. Ich bin nur kurz hier, um dir mein Beileid auszusprechen und dir einen Frito Pie zu bringen.« Sie drückte ihn Sadie in die Hand. »Ich hab deinen Daddy immer gemocht. Er hat alle mit Respekt behandelt.«
Sadie nahm die Schüssel entgegen. »Danke.«
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