Wer zuletzt lacht, küsst am besten: Roman (German Edition)
Luft in seine Lunge sog, und seine Hände bewegten sich vor seiner Brust, als wollte er nach etwas Unsichtbarem greifen.
Sonst war er immer so groß und kraftstrotzend und hatte alles um sich herum vollkommen unter Kontrolle. »Vince!«, rief sie jetzt lauter.
Blinzelnd wandte er seinen leeren Blick zu ihr. »Was ist?«
»Alles in Ordnung?«
Er klappte den Mund zu, und seine Nasenlöcher blähten sich, als er wieder durch die Nase atmete. Mit zusammengezogenen Augenbrauen sah er sich um. »Was ist?«
»Alles in Ordnung?«
»Wo bin ich?«
Ihr Herz zog sich zusammen und zerbrach noch ein wenig mehr. »In deiner Wohnung.«
Seine schwere Atmung erfüllte den Flur, und er schaute sie mit weit aufgerissenen Augen an. »Sadie?«
»Ja.« Sie fühlte sich, als fiele sie durch die Risse in ihrem Herzen. Gleich hier im Flur seines leeren Apartments. Am schlimmstmöglichen Tag ihres Lebens. Sie bemühte sich nach Kräften. Bemühte sich nach Kräften, sich nicht in Vince Haven zu verlieben, den unnahbarsten Mann auf Erden, aber sie tat es.
»Oh Gott.«
Ganz ihre Meinung. Sie ging zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. Seine Haut war heiß und trocken. »Kann ich dir was bringen?«
»Nein.« Er schluckte mühevoll und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand.
Sie stand trotzdem auf und lief durchs Wohnzimmer in die kleine Küche, wo sie sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank schnappte. Sie gab sich die größte Mühe, nicht um ihn und um sich zu weinen, doch die Tränen strömten ihr über die Wangen, und sie wischte sie mit dem Saum von Vinces T-Shirt weg. Als sie zurückkam, saß er immer noch an die Wand gelehnt da, die Unterarme auf den angewinkelten Knien, und starrte an die Decke.
»Hier.« Sie kniete sich neben ihn und schraubte den Flaschendeckel auf.
Als er nach dem Wasser greifen wollte, zitterte seine Hand, und er ballte eine Faust.
»Geht’s dir wieder besser?«
Er leckte sich die trockenen Lippen. »Mir geht’s gut.«
Ihm ging es nicht gut. »Passiert das oft?«
Er zuckte mit den Achseln. »Manchmal.«
Offenbar war er nicht in der Lage, darüber zu reden. Sie drückte ihm einen Kuss auf die heiße, trockene Schulter. »Ich liebe deinen Geruch«, murmelte sie. Er antwortete nicht, und sie setzte sich neben ihn und schlang den Arm um seine nackte Taille. Sie liebte ihn, und das jagte ihr eine Heidenangst ein. »Wer ist Wilson?«
Mit zusammengezogenen Augenbrauen schaute er auf sie hinab. »Woher kennst du den Namen?«
»Du hast ihn gerufen.«
Er wandte den Blick ab. »Pete Wilson. Er ist tot.«
»War er ein Kumpel von dir?« Sie nahm seine Faust und drückte ihm mit sanfter Gewalt die Plastikflasche in die Hand.
»Ja.« Das Wasser rann ihm aus den Mundwinkeln, als er mit großen Schlucken trank. »Er war der beste Offizier, den ich je gekannt habe.« Er wischte sich das Wasser mit dem Handrücken ab. »Der beste Mensch, den ich je gekannt habe.«
»Wie ist er gestorben?«
»Gefallen in Zentral-Afghanistan im Hindukusch-Gebirge.«
Wut strahlte von ihm ab, und die Anspannung verhärtete seine Muskeln noch mehr. »Wie kann ich dir helfen?«, fragte sie. Er war in der letzten Woche so gut zu ihr gewesen. Immer wenn sie ihn gebraucht hatte, war er für sie da gewesen. Hatte sie gefahren und war mit der Hand auf ihrem Rücken an ihrer Seite gewesen. Hatte mit ihr geredet und manchmal auch geschwiegen. Sie gerettet, selbst wenn sie ihn nicht darum bat. Sich in ihr Herz geschlichen, obwohl er dort am wenigsten sein wollte.
»Ich brauch keine Hilfe.« Er stand abrupt auf, und ihre Hand rutschte von seinem nackten Bein. »Ich bin kein kleines Mädchen.«
Sie erhob sich ebenfalls und sah in seine grünen Augen. »Ich auch nicht, Vince.« Hilflos musste sie mit ansehen, wie er sich vor ihr zurückzog. Wohin genau, wusste sie nicht, nur dass er für sie nicht mehr erreichbar war. »Vince.« Ihre Stimme versagte, so heftig tobten die Gefühle in ihr, und sie schlang ihm die Arme um den Hals. Sie presste sich an seine harte, heiße Brust und redete drauflos: »Es tut mir leid. Das muss schrecklich sein. Ich wünschte, ich könnte etwas für dich tun.«
»Warum?«
»Weil du mir auch geholfen hast, als ich dich gebraucht habe. Weil ich nicht einsam bin, wenn du da bist. Weil du mich rettest, auch wenn ich dich nicht darum bitte.« Sie unterdrückte die Tränen und machte den Mund auf, um ihm zu sagen, dass er groß und stark und wunderbar war. Dass er der beste Mensch war, den sie je
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