Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer zweimal stirbt, ist laenger tot

Wer zweimal stirbt, ist laenger tot

Titel: Wer zweimal stirbt, ist laenger tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Janice Davidson
Vom Netzwerk:
auszustoßen. »Solange du irgendwo in ihrer Nähe bist, solange sie dich liebt, wirst du stets ein erst vor Kurzem Gestorbener sein. So, als wärst du erst seit wenigen Sekunden tot … eine halbe Sekunde ungefähr. Dir ist doch aufgefallen, dass du noch denken und fühlen kannst wie früher? Du hältst dich frisch und lebendig, indem du dich mit allem Möglichen beschäftigst. Folglich verwest du nicht. Aber wenn du nach … sagen wir mal, London ziehen würdest, würde der Zersetzungsprozess beginnen. Du würdest immer weiter verwesen, ohne je richtig tot zu sein. Sollte sie jedoch irgendwann beschließen, dass du eher eine Belastung denn eine Bereicherung bist, sollte sie dich in ihrem Unterbewusstsein nicht mehr lieben, dann würde die Verwesung ganz schnell voranschreiten.«
    Während Marc sich ihre Worte durch den Kopf gehen ließ, konnte ich mich nicht enthalten zu sagen: »Aber diese arme Zombie aus der Zukunft … die war doch wirklich ein bedauernswerter Dreckhaufen.« Worauf man einen lassen konnte! Mein älteres Ich hielt sich in der Zukunft Zombies als Sklaven. Erweckte die Toten wieder zum Leben und ließ sie für sich schuften. Wie in einem Ausbeuterbetrieb! Mit Zombies als unbezahlten Malochern!
    Sie zuckte lediglich mit den Schultern. »Tja. Ich habe diese Frau ja nicht gekannt. Warum sollte dieses watschelnde Grauen mich stören, solange sie ihre Arbeit gut verrichtete?«
    »Genau darum mag ich dich jetzt wieder nicht«, meinte Marc und bedachte sie mit einem bösen Blick.
    Die ältere Betsy focht das anscheinend nicht sonderlich an, denn ihre Reaktion bestand in einem Gähnen. »Wie ich bereits sagte – und ich wiederhole es noch einmal, denn du besitzt die Aufmerksamkeitsspanne einer Fruchtfliege –, werde ich vorerst hierbleiben. Ich weiß schon, wann ich gehen muss. Bis dahin müsst ihr mich schon ertragen.«
    »Um was wollen wir wetten?«, blaffte ich.
    »Äh, Betsy … Betsys … das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für einen Zickenkrieg. Oder einen Vampirköniginnenkrieg. Es sieht doch ganz so aus, als verfolgtet ihr im Wesentlichen die gleichen Ziele.«
    »Würg.«
    »Da hast du wohl recht.« Sie leerte ihr Glas, betrachtete es einen Moment lang versonnen und fragte dann erstaunlich höflich: »Wann ist das Baby fällig?«
    »Im nächsten …«, setzte Marc an. Doch ich ließ ihn nicht aussprechen.
    »Geht dich einen Scheißdreck an!«
    Meine Gehässigkeit schien ihr überhaupt nichts auszumachen. Natürlich nicht. Sie war schon mit weit Schlimmerem fertig geworden. Sie war diejenige, die weit schlimmer war. »Aber sie ist glücklich? Mit dem Mann?«
    »Na klar.« Dem Mann?
    »Das hätte ich nicht erwartet«, gestand sie mit leiser Stimme. »Das ist … schön. Das ist wirklich schön.« Wieder schaute sie mich an, und nun hatten ihre Augen den harten Ausdruck verloren, an dem Sinclair sie zweifelsfrei erkannt hatte. Eine Sekunde war mir, als schaute ich mich selbst an und nicht einen Hai, der zufällig mein Gesicht hatte. »Du musst einen Weg finden. Du musst es in Ordnung bringen … Ich will das alles nicht noch einmal durchmachen.«
    »Du hast aber schon kapiert, dass du hier nicht das Opfer bist, hm?«
    Auch darauf sprang sie nicht an, sondern schaute mich nur mit meinen Augen an und sagte beinahe flüsternd: »Bitte hilf mir! Bitte hilf dir!« Sie zuckte nicht einmal zusammen, als das Glas zwischen ihren Fingern zersprang, schaute nur auf die Splitter und die verschüttete Milch und das bisschen zähflüssige Vampirblut, das geflossen war. »Verdammt.«
    »Lass mal sehen!«, sagte Marc und streckte die Hand aus. Er strahlte die natürliche Autorität des Arztes aus, und sie ließ ihn widerspruchslos ihr Handgelenk ergreifen. »Hm. Ist nicht so schlimm. Wir werden die Wunde erst einmal auswaschen.«
    »Es macht mir nichts. Du musst das doch wissen.« Sie verdrehte die Augen zur Decke.
    »Würdest du bitte dem Rat des Arztes der lebenden Toten folgen? So kann ich mich doch beschäftigen. Und wenn ich Murks baue, wird dir das ohnehin nichts anhaben können.«
    »Wie beruhigend«, sagte sie trocken, ließ sich aber auf die Beine ziehen und folgte Marc gehorsam zum Bad am anderen Ende der Halle, wo wir den Verbandskasten aufbewahrten.
    So fand ich mich allein in der Küche wieder, mit Toaster-Innereien und einem Chaos aus Glassplittern und verschütteter Milch auf dem Tisch.
    Was war eigentlich passiert?

29
    »Hat sie’s tatsächlich geschafft, mal drei Sekunden lang nicht böse

Weitere Kostenlose Bücher