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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ono Mothwurf
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auf Arnolds Gesicht genau abzulesen, als er von hinten auf Chantal zusteuerte, die in ihrem durchgeschwitzten Spaghettiträgershirt ein wogender Mittelpunkt der immer noch recht gut gefüllten Tanzfläche war.
    Es ging blitzschnell. An der Art, wie die Tänzer um sie herum Platz machten, sah sie ihn kommen. Genau in dem Moment, als er zupacken wollte, drehte sie sich weg, und da entglitt sie ihm. Er war auch zu voll gedröhnt, um noch schnell und präzise zu sein, also versuchte er erneut, sie zu packen, aber sie entglitt ihm wieder und im nächsten Moment hatte sie ihm eine geknallt, mit einer Wucht, dass die Hornbrille auf dem Boden landete. Der DJ war kein großer Freund von ihm, zu oft hatte Arnold ihm vor der Zeit das Aufbruchsignal gegeben, so was vergisst man nicht (schließlich wurde der DJ nach Stunden bezahlt), also drehte er den Verstärker runter und betrachtete interessiert die Szene vor seinen Augen. Drohend hatte Chantal ihre Hand erhoben und in kühlem Ton sagte sie, in feinstem, von keiner Silbe Hochdeutsch getrübtem Oberbayerisch: »Arnold, du duast mi nie wieda o’langa!«
    Dann machte es knackknack und es klang stark nach zwei Minus-3,5-Dioptrien-Gläsern.

     
    Die Gäste, die aus dem Norden der Werberepublik angereist waren, begriffen zwar nicht ganz, was ›o’langa‹ bedeutete, aber Arnold O. Langer hatte in der bayerischen Werbewelt nun endlich seinen wahren Namen gefunden: Olanger.
    Am darauffolgenden Montag, kurz nach zehn, war ein dröhnendes Lachen in der ganzen Villa zu hören. Und auch das, was der alte Schneidervater rief: »Das Mädchen steht unter meinem persönlichen Schutz, wehe, du wirfst sie raus, Olanger!«
    »Gut gemacht!«, raunte ihr Timo zu. Chantal spürte, wie ihr warm vor Freude wurde. Von dem Tag an hatte sie richtig Spaß in der Werbung.

13. Eventualitäten
    »Norbert, hast du kurz Zeit?«
    »Was gibt’s denn, Wondrak?«, fragte Norbert Stürmer, seines Zeichens Kriminaldirektor. Bei der Kripo Fürstenfeldbruck war es so ähnlich wie in Werbeagenturen. Hier gab es auch Art-Directors, die waren keine Chefs, obwohl sie Director hießen. Wobei nicht gesagt sein soll, dass der einfache Kriminalhauptkommissar Wondrak der Chef war. Nach außen hin war Stürmer der Boss. Und das war Wondrak auch recht so. Er hatte keine Lust auf Verwaltungs- und Repräsentationsaufgaben. Er wollte den Rücken frei haben, um zu ermitteln, wie er wollte. Und dazu gab ihm Norbert Stürmer alle Freiheiten. Er wusste, was er an Wondrak hatte. Jahr für Jahr sorgte er für die höchste Mordaufklärungsrate im Freistaat, Jahr für Jahr holte sich Stürmer dafür die Lorbeeren beim Innenminister ab. Aber allen Kriminalisten Bayerns, und nicht wenigen außerhalb, war klar, dass eigentlich Wondrak dafür verantwortlich war.
    Stürmer und Wondrak brauchten einander. So entstand ein ganz eigenes Kräfteverhältnis zwischen den beiden, das vom normalen Hierarchiedenken abgekoppelt war. Ein aufmerksamer Beobachter hätte sicher seine Schlüsse aus dem Beginn des Gespräches gezogen: ›Du, Norbert‹, ›Du, Wondrak‹, da war doch ein leichtes Gefälle erkennbar, oder nicht? Ein Gefälle zugunsten Wondraks.
    Der schilderte in einem leicht abschüssigen Gesprächston kurz den Fall. Und dass es durchaus möglich sein könnte, dass aus der verschwundenen Kurierfahrerin bald eine ermordete Kurierfahrerin werden könnte.
    »Na was jetzt – Mord oder kein Mord? Weißt du, wie viele Vermisstenmeldungen wir im Jahr haben? 100. Wenn ich da jedes Mal die Mordkommission drauf ansetze, na danke! Dann ist deine Abteilung bald dreimal so groß. Wenn es kein Mord ist, gibt’s auch für die Mordkommission nichts zu tun, Wondrak! Und wenn keine Gefahr für Leib und Leben besteht, gibt’s nicht einmal einen Einsatz für die Suchmannschaft. Die Frau ist erwachsen und nicht suizidgefährdet, entnehme ich deinem Bericht?«
    »Na ja, Norbert«, Wondrak wusste, dass Stürmers Frau und manche seiner Freunde ihn Nobbi nannten, aber so weit wollte er dann doch nicht gehen, »das kann man nicht so einfach beantworten. Ich bin gerade dabei, ein Kapitel im Ausbildungsplan zu überarbeiten. ›Gefahr für Leib und Leben!‹ trifft es meiner Meinung nach nicht richtig. Hier zum Beispiel handelt es sich möglicherweise um einen Eventualmord oder auch einen Vielleichtschonbaldmord.«
    Stürmer sah ihn an mit einem Blick, den man durchaus mit einem › Sag mal, willst du mich komplett verscheißern?‹ deuten konnte, fragte aber

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