Werbevoodoo
Angstschweiß roch, sondern angenehm nach Kaffeehaus. Von hier wollte man nicht fliehen, hier wollte man bleiben. Und egal, ob man Kaffeetrinker war oder nicht – am Duft, den die gemahlenen Bohnen auf der ganzen Etage verströmten, hatte niemand etwas auszusetzen. Nur der Krach des Mahlwerkes hatte bei Neulingen hin und wieder für Beschwerden gesorgt, das legte sich aber im Laufe der Zeit.
»Ich finde, die passt gut in ein Kommissariat. Sie hat was von einer Waffe, dein Maschinchen. Die Kipphebel, die Siebträger, die verchromten Rohre – wenn ich mich nicht für Kaffeemaschinen entschieden hätte, wäre ich wohl bei Pistolen gelandet«, sagte Andreas.
So hab’ ich’s noch gar nicht gesehen, dachte Wondrak, während er vorsichtig an seiner Tasse nippte. Dann ist also der Kaffee, den ich beim Verhör serviere, auch nichts anderes als die Pistole, die ich einem an die Schläfe setze, um ein Geständnis zu erzwingen.
»Vielleicht wäre ich sogar ein richtig guter Böser geworden«, fuhr Andreas fort.
»Glaub’ ich nicht«, entgegnete Wondrak. »Guter Kaffee und böser Mensch, das geht nicht zusammen. Vergiss es, Andreas, du wärst kein Böser; glaub’ mir, ich würd’s merken.« Wondrak setzte zögernd nach: »Na, wie findest du ihn?«
»Sehr gut, wirklich! Ich weiß gar nicht, was du hast! Der ist doch perfekt!«
Wondrak blickte Andreas in die Augen und sah, dass das nicht alles war. »Also, pack aus!«
Andreas grinste. »Ich bin ja im Grunde Buchhalter, ein alter Systematiker, und da hilft mir immer die
5M-Methode, kennst du die?«
»Klar, mal sehen, ob ich sie noch zusammenkriege: Mischung, Menge, Mahlgrad …«, begann Wondrak und Andreas ergänzte: »Maschine, Mensch.«
»Erstens: Mischung«, fuhr Andreas fort. »Deine Kaffeesorte passt. Zweitens: die richtige Mühleneinstellung und drittens: die richtige Menge hast du auch. Tja, bleiben also nur noch Mensch und Maschine. Die Maschine ist ja tipptopp, aber du … Thomas … bist das Problem!« Andreas grinste, als er die betroffene Miene Wondraks sah. »Ich zeig dir das mal!«
Und nun machte sich Andreas an der Maschine zu schaffen. Mit einer Fingerfertigkeit, als wäre es seine eigene Faema, zauberte er in wenigen Minuten zwei neue Tassen Kaffee und diesmal war Wondrak recht schweigsam und beobachtete jeden Handgriff, als würde er zum ersten Mal der Zeremonie beiwohnen. Wieder machten beide die Inselprobe mit dem Zucker, der dann im Kaffeemeer versank. Beide verrührten den Zucker, und dann kam der große Moment. Beide nippten an ihren Tassen. Und Wondrak musste lachen: »Ist ja überhaupt kein Unterschied!«
»Was zu beweisen war«, schmunzelte Andreas. »Faktor Mensch scheidet aus, nun bleibt also nur noch die Maschine. Ich glaube, ich hab’ eine Idee, was es sein könnte. Hast du eine eigene Wasserpumpe, oder hängt die Maschine direkt an der Wasserleitung?«
»Festanschluss, glaub’ ich«, meinte Wondrak. Er öffnete die Tür unter der Spüle und sah nach. Richtig: Da war keine Pumpe. Nur ein metallummantelter Schlauch, der zur Kaltwasserleitung führte.
»Na bitte, da haben wir’s doch«, diagnostizierte Andreas, »der Wasserdruck in den alten Rohren schwankt immer zwischen drei und sechs Bar. Und wenn dann zufällig gerade einer auf die Klospülung drückt, sackt der Druck noch einmal um zwei Bar ab. Die alten Faemas sind da nicht sehr tolerant, die brauchen konstanten Druck.«
»Okay, wenn’s sonst nichts ist. Was kostet denn der Spaß?«
»135,30 Euro.« Auf das überraschte Gesicht, das Wondrak auf diese genaue Angabe hin machte, entgegnete Andreas nur achselzuckend: »Ich bin Zahlenmensch, ich kann nicht anders. Montage ist umsonst. Geht auf Staatskosten, oder?«
»Ich werd’s probieren, den Ärger krieg ich sowieso. Der Chef flippt ja bereits wegen meiner Ausgaben für Vanilleeis aus. Da wird er natürlich über eine eigene Wasserpumpe für die Espressomaschine begeistert sein. Soll ich dir hier mal alles zeigen, hast du Zeit?«
»Gern, hast du denn Zeit?
»Wir sind gerade mitten in der Suche nach einer vermissten Kurierfahrerin, und ich muss dazu drüben in der Polizeischule was klären. Komm doch einfach mit.«
Gemeinsam spazierten sie aus dem alten Klostereingang hinaus, gemeinsam spazierten sie in den daneben liegenden Eingang des Invalidenheims wieder hinein. Dieser Teil des säkularisierten Zisterzienserklosters diente früher als Invalidenhaus für die Veteranen der Königlich-Bayerischen Armee. Seit
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