Werbevoodoo
und Charlotte längst drinnen war?
Wondrak musste zugeben, dass ihm diese Begrüßung nicht unangenehm war. Marianne Thamm sah nicht so aus, wie sich Wondrak eine Frau mit zwei kleinen Kindern vorstellte. Keine Kittelschürze, keine Breispuren im Haar, keine Gesundheitslatschen, im Gegenteil – sie sah aus, als hätte sie Zeit, alle zwei Wochen zum Frisör zu gehen und auch ansonsten alles zu tun, um ihren attraktiven Pflegezustand zu erhalten. Frau Thamm führte ihn ins Wohnzimmer. Auf der Sitzlandschaft aus beigem Leder hätten sicher acht Menschen bequem Platz gefunden, an der Wand hing eine riesige gerahmte Fotografie, die aussah, als wäre sie berühmt und teuer, und auf dem Couchtisch war eine Platte mit kalten Häppchen angerichtet.
»Ich hab’ einen Bärenhunger. Die Kinder sind längst gefüttert, die dürfen jetzt von mir aus so lange mit Charly spielen, bis sie umfallen.«
Wondrak kam aus dem Staunen nicht mehr raus. Erstens staunte er über die Köstlichkeiten, die hier standen, zweitens über die Tatsache, dass sie selbst gemacht waren, also richtig Zeit und Arbeit bedeuteten, und dann war da noch was. Auf einigen Schnitten lag Lachs. Charlotte liebte Fisch. Und doch hatte sie ihn nicht angerührt.
»Trinken Sie einen kleinen Schluck mit?«
Wondrak sagte gedankenverloren: »Gern«, und schon hatte er eine Flasche Sekt in der Hand.
»Machen Sie den bitte auf. Der Korken sitzt immer so fest.«
»Hm, Rieslingsekt«, brummte Wondrak anerkennend. »Ich kann Prosecco nicht leiden. Zu lasch, zu wenig Kohlensäure. Und das alles nur, um die blöde italienische Sektsteuer zu sparen. Immer diese Steuertrickser!«, lachte Wondrak und dachte einen Sekundenbruchteil an Andreas Hofer. Der Gute. War es am Ende vielleicht sogar gut, deutschen Sekt zu trinken. War Prosecco böse? Nicht nur wegen Berlusconi.
»Geht mir auch so«, meinte Frau Thamm. »Den Prosecco-Geschmack mag ich schon, aber wenn schon Prickeln, dann richtig.«
Da war es wieder. Wie sie › prickeln ‹ sagte, da lag Zweideutigkeit in der Luft. Wondrak konnte seinen Verhörsinn einfach nicht abstellen. Wenn da was zu hören war, dann hörte er das auch. Sie hoben die Gläser und stießen an. »Auf die Rückkehr von Charlotte …«
»Und Charly«, ergänzte er.
Dann machten sie sich über die Schnittchen her. Zur Sicherheit schnupperte er noch einmal am Lachshäppchen, doch der Fisch roch frisch und nicht nach Fisch, genau so, wie ein Lachs riechen sollte. Wondrak hatte keine Erklärung, warum Charlotte sich nicht sofort auf ihn gestürzt hatte.
»Und wie weit ist es von Ihnen hierher?«, fragte Marianne Thamm, »ich meine, für Charlotte.«
»Gar nicht weit. Ich bin mit dem Rad gefahren, da war ich in zwei Minuten da. Meine Wohnung ist gleich vorn in Emmering beim Wasserschlössl, wissen Sie, wo das ist?«
»Klar, da sind wir ja fast Nachbarn. Ach, wie schön! Auf gute Nachbarschaft!«
Wondrak musste wieder die Gläser nachschenken.
»Greifen Sie ruhig zu, ich hab’ für meinen Mann noch einen Teller im Kühlschrank stehen. Der kommt später.«
»Was macht Ihr Mann? Wohl kein Beamter wie ich, oder?«, wollte der Kommissar wissen und blickte auf die Uhr. Immerhin war es bereits Viertel vor acht.
»Der arbeitet in Starnberg in einer Werbeagentur. Die haben Arbeitszeiten, da fällt Ihnen gar nichts mehr ein. Vor neun Uhr abends kommt er selten raus. Und dann noch eine halbe Stunde mit dem Auto. Meistens schlafe ich schon, wenn er nach Hause kommt.«
»Aber dafür haben Sie es auch wunderschön hier. Das ist ja eine richtige Direktorenvilla.«
Marianne Thamm lächelte: »Ja, ja, das war wohl auch der Grund, warum Tom hier unbedingt einziehen wollte. Mein Mann ist Kreativdirektor. In Starnberg könnten wir uns so etwas niemals leisten. Also hocken wir jetzt hier. Die Kreativdirektorenfamilie in der Direktorenvilla.«
Das war Jammern auf zu hohem Niveau, für so etwas konnte Wondrak keinerlei Mitgefühl entwickeln. Kaum hatte er das gedacht, fühlte er ein zärtliches Reiben an seinem Bein. Na, die Dame ging aber ran! Im selben Moment setzte im Nebenraum Kindergeschrei ein.
»Ich schau mal, was da los ist«, erhob sich Marianne Thamm. Das Reiben an seinem Bein blieb. Das war Charlotte! Er schwankte zwischen Erleichterung und Enttäuschung. »Na, magst auch ein bisserl Lachs?«, fragte er sie leise, während er eine Hand nach unten streckte. Doch das Gesicht, das Charlotte machte, als sie auf seinen Schoß sprang, war ein anderes. Sie
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