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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ono Mothwurf
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verkniff sich, in diesem Moment › Stimmt ja auch ‹ zu sagen, Schneidervater freute sich einfach viel zu sehr.
    »Und jetzt bringt der ›Spiegel‹ noch vor allen Fachblättern einen Artikel! Das habe ich in 40 Jahren noch nicht erlebt!«
    Schneidervater war so außer sich, er hätte jetzt gern Timo umarmt, aber mit Männerumarmungen ist das so eine Sache, also schnappte er sich die zufällig vorbeikommende Miriam, drückte sie fest und veranstaltete ein ausgelassenes Tänzchen mit ihr über den Gang.
    Timo und Ben sahen den beiden zu, Ben schüttelte den Kopf und sagte zu Timo: »Geiler Chef.«
    Dann kam Schneidervater zurückgetanzt, er ließ Miriam los und verabschiedete sich als vollendeter Gentleman mit einer leichten Verbeugung von seiner Tanzpartnerin. »Da ist eine junge Redakteurin vom ›Spiegel‹, die möchte dich gern kennenlernen. Sie ruft dich in einer Viertelstunde an, Timo!«
    »Was soll ich ihr erzählen?«
    »Was sie wissen will!«
    »Soll ich ihr aus der Presseerklärung was vorlesen?«
    »Auf keinen Fall! Die Presse ist ein scheues Wild. Die verjagst du nur mit so welkem, altem Papier wie Pressemeldungen. Die lieben es frisch. Am besten, du redest einfach drauf los. Und mach’ dir keine Sorgen wegen der Befindlichkeiten unserer Kunden! Bei einem Account-Manager achten die auf jedes Wort. Aber du bist ein Kreativer, egal, was du sagst – du darfst das. Merk dir das. Dann glauben dir die Leute auch.« Sprach’s, drehte sich um und verließ summend den Raum.
    Schneidervater, du alter Fuchs! Du lässt einem auch keine Zeit zum Luftholen. Aber Timo musste gestehen, die Weisheit gefiel ihm: »Egal, was du sagst, du darfst das«, wiederholte er für sich. Er beschloss, den Satz zu seinem persönlichen Mantra zu machen.

     
    »Hallo, Herr Stifter, hier ist Carolin Merck vom ›Spiegel‹ in Hamburg. Haben Sie kurz Zeit für mich?«
    »Ich habe sogar ganz lang Zeit für Sie. Aber wollen wir nicht skypen? Dann könnten wir uns sehen, und es wär’ wie ein richtiges Interview.«
    »Super Idee, das machen wir.«
    Zwei Minuten später blickten sich die beiden von Computer zu Computer ins Angesicht.
    »Wow, sind Sie aber jung«, sagte Carolin Merck.
    »24. Ist das jung?«, fragte Timo. »Genau das richtige Alter, um sich ausbeuten zu lassen, nicht wahr? Du bist ja auch nicht älter als ich. Hast du einen richtigen Vertrag oder bist du Volontärin?«
    Carolin lächelte: »Hallo, ich stell’ hier die Fragen. Seit wann lässt du dich ausbeuten?«
    Timo freute sich, dass sie ganz formlos zum Du übergegangen waren. »Seit drei Jahren arbeite ich in Werbeagenturen. Aber erst seit einer Woche habe ich das Gefühl, dass Lohn und Arbeit in einem fairen Verhältnis stehen. Und das habe ich Résistance zu verdanken.«
    »Warum glaubst du, geht diese Marke plötzlich so ab? Liegt das an der Werbung, oder liegt das am Duft? Man hat das Gefühl, dass ganz Deutschland in eine Wolke von Résistance gehüllt ist.«
    »Duft ist ja Kommunikation pur, ein Mittel, sich auszudrücken. So wie Sprache, Kleidung, die Frisur oder Uhren etwas über dich erzählen, so sagt auch das Parfum eine Menge darüber aus, wie du gesehen werden willst. Parfumwerbung erzählt ja normalerweise nur so dämliche Sachen wie, vereinfacht gesagt: Du bist schön, also rieche auch schön. Solche Werbung kann man sich auch schenken, denn dann entscheidet nur die Nase, ob man den Duft mag oder nicht mag. Wir wollten aber eine Aussage finden, die über der reinen Schönheit liegt. Und das liegt für uns schon im Namen Résistance enthalten: also der Widerstand, die Rebellion, eine Unzufriedenheit, eine Gegenhaltung. Die mussten wir nur noch inszenieren.«
    Carolin fragte nach: »Unzufriedenheit, das ist doch ein negatives Gefühl? Es gibt doch so eine Werberegel: Negativ arbeitet nicht positiv. Hast du diese Regel außer Kraft gesetzt?«
    »Ich glaube nicht, dass das Negativwerbung ist. Im Moment sind viele Menschen mit dem Status Quo unzufrieden. Sie sind unausgelastet, überqualifiziert, leben in unbefriedigenden Partnerschaften. Die Kampagne macht nichts anderes, als ihnen einen Ausweg anzubieten«, antwortete Timo. »Einen Weg, mit dem Erreichten oder Unerreichten, mit den Etablierten und den Bremsern abzurechnen. Die Duftnote als Protestnote, gewissermaßen.« Timo sah, wie Ben hinter dem Computerbildschirm, auf der anderen Seite des Schreibtisches, beide Daumen nach oben reckte.
    »Die Leute spüren, dass ihnen Résistance in ihrem täglichen

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