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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ono Mothwurf
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schönsten Tod gefunden hat, den man sich vorstellen kann.«
    »Da wäre ich mir nicht so sicher.«
    »Ich bin’s aber. Kein Gift, keine äußerliche Gewalt, keine Drogen, keine Sauerstoffunterversorgung, kein Gas, kein Garnichts. Das Einzige, was auf dem Totenschein nicht stimmt, ist der Herzinfarkt.«
    »Was?«, jetzt kannte sich Wondrak gar nicht mehr aus.
    »Es war ein Schlaganfall«, setzte die Medizinerin nach. »Nicht das Herz hat den Geist aufgegeben, sondern das Hirn. Außerdem war die Frau im zweiten Monat schwanger.«
    »Die Frau war extreme Synästhetikerin«, erklärte Wondrak. »Ihr Freund ist davon überzeugt, dass sie mit ihm so stark verbunden war, dass sie durch seelische Grausamkeiten, die ihm zugefügt wurden, gestorben ist. Ein synästhetischer Schock, der zum Tod führte, so reimt er sich das zusammen.«
    »Synästhesie ist gar nicht so selten«, sagte Melanie Koller, während sie eine Schublade der Kühlwand öffnete und eine Bahre herauszog. »Mehr als 4 Prozent der Menschen haben mindestens eine Synästhesie. Die Dunkelziffer ist dabei relativ hoch, denn wenn du dein Leben lang die Zahl drei als gelb erlebst, kommst du gar nicht darauf, dass das etwas Besonderes ist. Synästhesie tritt familiär gehäuft auf. Und ist übrigens unter Künstlern stark verbreitet. An manchen Kunstschulen sind fast ein Viertel der Schüler Synästhetiker.«
    Wondrak schlug das weiße Tuch, das über Selena lag, zurück. Sie war wirklich eine schöne Frau gewesen. Kurz stellte er sich Timo neben ihr vor und unwillkürlich musste er seufzen: »Ja, ich weiß, aber das ist nicht die Synästhesie, die ich meine. Hier geht es nicht um Zahlen, Farben und Musik.«
    »Langsam. Ich dachte, du wolltest was von mir wissen, also lass mich kurz ausreden.«
    Mit einer Handbewegung, die › Bitte ‹ sagte, forderte er sie auf, genau das zu tun. »In Hannover an der medizinischen Hochschule haben Hirnforscher jetzt eine weitere Variante untersucht: die Berührungs-Synästhesie. Wenn Menschen andere Personen dabei beobachten, wie diese berührt werden, aktiviert das im Gehirn die sensorischen Spiegelneuronen. Diese Nervenzellen simulieren die Beobachtung, sodass man diese Erfahrung selber nachvollziehen kann. Das ist bei jedem Menschen so. Bei Berührungs-Synästhetikern verwechselt das Gehirn diese Spiegelsignale jedoch mit den Reizen einer tatsächlichen Berührung. Für sie macht es keinen Unterschied, ob sie selbst angefasst werden oder ein Mensch in ein paar Metern Entfernung. Die Spiegelneuronen im Gehirn zeigen dabei eine extrem hohe Aktivität.«
    »Könnte es sein, dass bei Selena die Spiegelneuronen durchgedreht und zu einem Schlaganfall geführt haben?«, wollte Wondrak wissen.
    »Das ist mir alles zu feinstofflich und wirklich nicht mein Fach – du weißt schon: rustikal zerlegen und zusammenbauen ist eher meins. Ich hab’ hier den Artikel für dich, vielleicht rufst du in Hannover an und fragst diesen Professor mal.«
    »Das mach’ ich sofort.«
    »Aber ich will dir keine Hoffnungen machen – nach dem derzeitigen Stand unserer Wissenschaft ist hier ein Mord oder Totschlag vollkommen ausgeschlossen. Ich kenne keinen Staatsanwalt, der über so einen Ferntotschlag, oder wie immer man das nennen wollte, auch nur nachdenken würde.«
    »Danke trotzdem, Melanie. Und könntest du die Leiche vielleicht noch ein bisschen kaltstellen?«
    »Was ist denn mit der Familie, wollen die ihre Tote nicht bestatten?«
    »Die möchten gern den Täter verurteilt sehen.«
    »Was? Die ganze Familie glaubt diesen Unsinn? Was ist denn das für ein abergläubischer Stamm?«
    »Keine Ahnung. Scheint aber keine gewöhnliche Familie zu sein.« Er blickte auf das Namensschild und las zum ersten Mal den Familiennamen von Selena: Artic.

     
    In der Dreiviertelstunde, die Wondrak von München nach Fürstenfeldbruck brauchte, hatte er reichlich Zeit, mit Professor Toplitz in Hannover zu telefonieren.
    »Natürlich könnte das sein«, bestätigte er, als Wondrak ihn mit seiner Theorie eines Spiegelneuronen-Kollapses konfrontierte. »Aber messen und nachweisen kann man das alles nur am lebendigen Objekt, dafür ist es längst zu spät. Außerdem kenne ich keinen Fall, bei dem die Spiegelneuronen ohne Sinnesreiz aktiviert wurden – und wenn ich Sie richtig verstanden hab’, dann waren die beiden nicht im selben Raum, als es passiert ist?«
    »Sie waren nicht einmal in derselben Stadt!«, erklärte Wondrak. »Sie war in München und er war in

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