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Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ono Mothwurf
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dem wir uns bewegen, gar nicht richtig kennen. Diese Kampagne, die Sie uns hier präsentieren, ist von unserer Konkurrenz Courtney USA letzte Woche gelauncht worden. Eine gute Kampagne, zweifellos, aber leider nicht unsere.«
    Mit ›gelauncht‹ meinte Doktor Gneisenau exakt das Gleiche wie gestartet, es klang nur besser, die Konsequenzen waren aber dieselben: ein wildes Farbenspiel in der Gesichtern der Agenturleute. Langer wurde weiß, Schneidervater wutrot und Tom Thamm hatte eine weiße Nase, rote Backen und sah aus wie mitten in einem Kreislaufkollaps.
    Keiner konnte verlorene Schlachten so herumreißen wie der alte Haudegen Schneidervater, der sich blitzartig wieder gefasst hatte und nun seine Geheimwaffe zog. Mit einem feinen Lächeln sagte er: »Ich habe mich vorhin mit Timo Stifter, Sie kennen ja unseren Résistance-Erfinder, unterhalten, und er schilderte mir ein paar Gedanken zu Projekt Alpha, die er sich übers Wochenende gemacht hatte – ein kreativer Kopf lässt sich halt nicht ausschalten. Timo bekommt von mir den Auftrag für Projekt Alpha loszulegen. Ich kann Ihnen nicht versprechen, dass wir den Résistance-Erfolg wiederholen werden. Das wäre unseriös und vermessen. Denn der Résistance-Gedanke war und ist einmalig. Aber ich kann Ihnen versprechen, dass wir eine Kampagne machen werden, die Sie und die Welt überraschen wird.«
    Die ganze Zeit hatte Langer dagestanden mit seiner abgebrochenen Präsentation und wurde von allen ignoriert. Jetzt explodierte er: »Und ich? Ich soll hier den nützlichen Idioten abgeben, oder was?«
    Schneidervater antwortete ebenso gelassen wie leise. »Aber Herr Langer, ich bitte Sie. Mit dem Idiot haben Sie recht. Aber nützlich sind Sie uns schon lange nicht mehr. Wenn Sie uns jetzt bitte verlassen würden. Herr Thamm wird Sie hinausbegleiten.«
    Und er stand auf, öffnete die Tür und machte eine freundliche Handbewegung nach draußen. Langer und Tom gingen raus und in diesem Moment kam es auch Tom so vor, als wäre er draußen. Es war seine Aufgabe als Kreativchef, die Ideen abzuklopfen und freizugeben. Wie konnte ihm nur so ein Fehler unterlaufen! Er konnte sich nicht erinnern, jemals so blamiert worden zu sein. Und er fand keine Erklärung, warum er diese US-Kampagne nicht kannte.
    Damit nicht alle Kreativen ständig parallel im Internet herumsurften, um sich die neuesten Ideen aus aller Welt anzusehen, gab es in der Agentur einen zentralen Info-Dienst, auf den alle Zugriff hatten. Tom Thamm selbst hatte die Idee dazu gehabt und er war mächtig stolz darauf gewesen. Tom hatte hochgerechnet, dass jeder Kreative im Schnitt zwei Stunden täglich im Netz unterwegs war. Also ließ er den Info-Server installieren, und die Recherche-Zeit oder wie auch immer die Kreativen ihre Surferei nannten, sank auf eine halbe Stunde pro Tag. Produktivitätsgewinn: fast 20 Prozent.
    Bis jetzt dachte er, diese Erfindung wäre so etwas wie seine Jobgarantie, seine Altersversorgung. Nun fürchtete er, dass sie sein Ende bedeuten könnte. Er stürmte zu Natalie, die den News-Server einmal täglich mit den neuesten Bildern und Filmen fütterte und fragte sie mit zitternder Stimme: »Wo ist die neue Courtney-Kampagne aus den USA? Warum kennen wir die nicht?«
    »Mal sehen.« Seelenruhig tippte Natalie auf ihre Tastatur und zwei Sekunden später waren die Motive auf dem Bildschirm. »Die hab’ ich am letzten Donnerstag reingestellt. Schau, hier ist das Datum.«
    Tom wurde schwummrig vor den Augen. Ließ sein Gedächtnis derartig nach, dass er Dinge vergaß, die er schon gesehen hatte? Er betrachtete die Anzeigen und konnte nicht einmal behaupten, dass er sie noch nie gesehen hatte. Er sah mehr als 100 Ideen pro Tag. Pro Arbeitsjahr mehr als 20.000 Ideen. Und das bei 20 Jahren im Job. Die Bilderflut in seinem Kopf wuchs sich zu einer Sturmflut aus. Er ging in sein Zimmer und schloss die Tür wieder.
    Timo kam zu Natalie ins Zimmer und fragte leise: »Hast du Courtey USA wieder reingestellt?«
    »Logisch.«
    »Siehst du«, sagte Timo, »so einfach ist das. Jetzt wird der Olanger dich nie wieder o’langa.«

     
    Am späten Vormittag des nächsten Tages klingelte Wondraks Handy, Melanie Koller war dran, aus der Münchener Gerichtsmedizin.
    »Du, Wondrak, ich hab’ hier eine Leiche, die erinnert mich an das Schlaganfall-Mädchen, das ich für dich nach Hannover geschickt habe, da dachte ich, vielleicht ist das was für dich. Sonst interessiert sich ja keiner für meine Leichen. Auch

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