Werbevoodoo
ich.«
Weißenbacher schüttelte den Kopf: »Was soll ich dir erzählen, das weißt du doch alles. Natürlich gibt es das Böse, genauso wie das Gute. Gegen bösen Zauber schützt man sich am besten, indem man nicht daran glaubt. Das Gute ist immer stärker. Du musst dich nur dafür entscheiden.«
»Du nimmst also keine Pfauenfeder mit?«
»Moment: Ich hab’ ja noch gar nicht gesagt, dass ich hingehe. Und wozu brauche ich eine Pfauenfeder?«
»Das Pfauenauge schützt vor bösen Mächten.«
»Thomas, bist du jetzt völlig damisch?«
»Ich habe zwei Morde, die ich mit normalen kriminalistischen Methoden niemals aufklären werde. Also muss ich es unkonventionell versuchen.«
»Für so einen gotteslästerlichen Unsinn müsste ich dir eigentlich die Beichte abnehmen. Unkonventionelle Methoden – pah! Das ist doch genauso absurd, als würde ich statt Weihwasser Cola verwenden, um junge Leute anzulocken. Thomas, du bist mir manchmal ein bisschen zu flexibel mit deinen Methoden.«
Die Männer schwiegen sich ein wenig an. Dann fing sich Weißenbacher wieder. »Niemand kann Gedanken lesen. Es gibt nur manche Menschen, die sie besser erraten als andere. Und Oma Amalia hat offenbar alle Voraussetzungen dafür. Erstens: Sie ist eine Frau. Frauen sind ohnehin intuitiver veranlagt als Männer. Zweitens: Die Frau ist eine gute Beobachterin und zieht die richtigen Schlüsse daraus. Drittens: Sie ist fast doppelt so alt wie du und hat vielleicht auch doppelt so viel Menschenkenntnis. Viertens: Sie hat offenbar bereits ein bisschen Übung darin, den Leuten einen Schrecken einzujagen. Vermutlich macht es ihr einen Höllenspaß.«
»Woher weiß sie dann meinen Vornamen? Kann man den auch erraten?«
»Thomas, du bist eine Berühmtheit. Dein Foto stand letzte Woche in der Zeitung. Bloß weil die Frau aussieht, als würde sie nur die transsylvanische Feldpost kennen, heißt das noch lange nicht, dass sie keine lokale Tageszeitung liest.«
Wondrak war ein bisschen besänftigt und nahm noch einen Schluck vom G’spritzten. »Trotzdem hätte ich gern deine Meinung gehört. Du musst Amalia ja nicht bespitzeln. Besuch die Sippe einfach und hör’ dich um.«
»Also gut«, nickte Weißenbacher, »damit die liebe Seele eine Ruhe hat, gehe ich hin. Aber erwarte dir nicht zu viel davon.«
33. Kleiner Grenzverkehr
Wondraks Handy klingelte. Sophie war dran: »Wir sind ihm auf der Spur. Hubert Wallberg hat in Arezzo Geld abgehoben.«
»In der Toskana? Dann können wir ja hier lange suchen. Wie viele Reitställe, Töpferwerkstätten und Eisdielen haben wir in der letzten Woche abgeklappert?«
»Ach, frag nicht. Es gibt Fotos von der Überwachungskamera am Geldautomaten. Wir lassen uns gerade die Serie mailen. Wann kommst du?«
»Jetzt«, sagte Wondrak, legte auf und verabschiedete sich mit dem obligaten Schulterklopfen von Weißenbacher.
Wondrak war übel. Es war nicht dieses euphorisierende Gefühl, das ihn immer ergriff, kurz bevor ein Fall gelöst wurde. Ihm schwante Übles. Clara Braunstätter war entführt worden. Doch wenn man vorhatte, ein Entführungsopfer zu foltern, zu quälen und dann zu beseitigen, fährt man nicht in die Toskana mit ihm.
Das konnte nur bedeuten, dass Clara Braunstätter bereits tot war. Wallberg hatte sie hier irgendwo beseitigt und war dann in den Süden geflohen.
Den ganzen, kurzen Weg vom Fürstenfelder bis zum Kommissariat ärgerte sich Wondrak, der die Pünktlichkeit so schätzte, dass sie zu spät gekommen waren.
Es half Clara Braunstätter jetzt auch nicht mehr, aber Wondrak nahm die alten Steinstufen im Laufschritt. Sophie empfing ihn schon von Weitem mit einem genervten Lächeln und hielt ihm ein Bild hin. »Das glaubst du nicht«, sagte sie.
»Es ist gar nicht Wallberg«, vermutete Wondrak und nahm das Foto in die Hand. Auf der Fotoserie erkannte man im Vordergrund Hubert Wallberg und im Hintergrund eine junge Frau, die sich eine schicke, große Sonnenbrille ins Haar schob.
»Wer ist das?«, fragte Wondrak.
»Schau genau hin«, empfahl ihm Sophie.
»Clara Braunstätter!«, ächzte Wondrak. Sofort hatte er wieder die süffisante Stimme seines Chefs im Ohr, der sich über seinen Eventualmord lustig machte. › Jedes Jahr flüchten tausende Frauen in die Toskana und verstecken sich dort hinter irgendeiner Töpferscheibe ‹ , hatte Stürmer gespottet. Und jetzt sah er sie, gebräunt, erholt, in aller Freiheit, am Marktplatz von Arezzo wieder, der so etwas wie den Dreh- und Angelpunkt
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