Werbevoodoo
beschäftigen.«
»Gibt es viele Töpferateliers in der Gegend?«
»Also in zehn Kilometern Umkreis fünf, wir haben wohl einen kleinen Töpferschwerpunkt in Bruck. Schau mal, hier hab’ ich eine Broschüre von der neuen Gemeinschafts-Ausstellung. Da bin ich aber nicht dabei, ich hab’ in diesem Jahr ausgesetzt.«
»Stehen da alle Ateliers drauf? Darf ich die haben? Ich bring sie zurück!«
Sie trugen die Nudeln, die Soße und den Wein ins Esszimmer, sie aßen und Wondrak lobte die feinen Aromen.
»Und die zweite Geschichte?« Marianne war wirklich hartnäckig.
»Bist du glatt rasiert?«, fragte Wondrak mit einer Direktheit, die ihm selbst ein wenig unheimlich war. Aber der Ausschnitt des Sommerkleides war einfach zu einladend.
»Teils, teils«, antwortete sie mit einem neckischen Lächeln.
»Und rasierst du dich nass oder trocken?«
»Nass.«
»Dann dürfte dir die Geschichte gefallen.« Und Wondrak entführte Marianne in Gedanken in den Eissalon, wo sie sich mit süßer Schlagsahne rasieren ließ und Wondrak Erdbeereis aus ihrem Bauchnabel leckte.
Eines hatte er von Clara gelernt. Die Spannung so lange wie möglich zu halten. Und deshalb ließ er sich nicht hinreißen, Marianne an Ort und Stelle zu verführen.
Er wollte sich noch ein wenig Zeit lassen.
»Das nächste Mal bringe ich den Nachtisch mit. Erdbeereis mit viel süßer Sahne. Einverstanden?«
»Einverstanden.«
31. Freitagnachtschicht
Der alte Schneidervater hatte Langer zum ZVG gebeten, so hießen die Zielvereinbarungsgespräche, die mit jedem Mitarbeiter normalerweise zweimal jährlich geführt wurden. Dieses Gespräch wurde von Schneidervater vor der Zeit angesetzt. Tom Thamm, als Kreativchef, assistierte ihm.
»Sie wissen, Herr Langer, es läuft im Moment nicht wirklich gut für Sie«, eröffnete Schneidervater das Gespräch, und dabei wurde dem Langer bewusst, dass er seinen richtigen Namen in der Agentur seit drei Monaten nicht mehr gehört hatte. »Aber Sie wissen auch, dass bei uns jeder eine zweite Chance bekommt. So etwas wie mit der Résistance-Kampagne, die Sie verhindern wollten, wird Ihnen nicht mehr passieren. Davon gehen wir aus. Trotzdem müssen wir Sie abmahnen, weil Sie Ihre Sorgfaltspflicht verletzt haben.« Schneidervaters freundliches Gesicht veränderte sich kein bisschen, als er den Brief über den Tisch schob. »Noch so ein Ding und Sie sind raus.«
Nun war Tom an der Reihe und durfte das Häuflein Elend, das vor ihnen saß, wieder aufrichten. »Wir haben einen Auftrag von Doktor Gnadenhain bekommen, wie man ihn nur alle zehn Jahre erhält. Die komplette Entwicklung eines neuen Herrenparfums. Projekt Alpha. Vom Namen über das Verpackungsdesign bis zur Kampagne. Ein ganz großes Ding. Das ist deine Chance, Olanger. Wenn du dich da richtig reinhängst, ist alles wieder gut. Am Montag treffen wir den Kunden zum Schulterblick, da zeigen wir unsere ersten Ideen. Nur Gedankenskizzen.« Tom Thamm schob ihm zwei Blätter über den Tisch, auf denen Aufgabe und Zielgruppe in plakativen, bildhaften Sätzen umrissen wurden.
»Danke«, stammelte er, nahm seine Abmahnung und das Briefing und versuchte, erhobenen Hauptes in sein Zimmer zu gehen. Dort trommelte er sein Team zusammen und verteilte die Aufgaben.
Zwölf Stunden später hatte Langer nichts in der Hand, was Projekt Alpha vorangebracht hätte. Sein Junioren- und Praktikanten-Team hatte gemeutert und das Schiff verlassen. Sie hatten sich seit Wochen auf die ›I love my Bruck‹-Clubbing-Night in Fürstenfeld gefreut und waren bereits unterwegs zum Kloster. Die Ideen, die Langer bis dahin von ihnen gesehen hatte, fand er entweder schwach, schon da gewesen oder unpassend. Arnold O. Langer, der sich früher geprügelt hätte, um an so eine große Aufgabe zu kommen, hatte nun Angst vor ihr. Er stand vor einem gewaltigen Berg von Möglichkeiten und konnte sich nicht entscheiden, welche Aufstiegsroute er wählen sollte. Früher wäre er einfach losgeklettert, hätte neue Wege ausprobiert, hätte sie wieder verworfen und wieder von vorn angefangen. Nun fürchtete er jeden einzelnen Schritt.
»Na, habt ihr mittlerweile was?« Chantal stand im Raum, er hatte sie gar nicht kommen gehört.
»Nix. Aber wir haben ja noch Samstag und Sonntag.«
»Komm, wir rauchen eine.« Chantal öffnete die Tür zum Balkon und die beiden traten hinaus. Es war ein milder Spätsommerabend, der Herbst war noch weit. Chantal zündete sich einen Joint an und gab ihn weiter. Langer nahm einen
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