Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Werbevoodoo

Titel: Werbevoodoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ono Mothwurf
Vom Netzwerk:
aufgelockert wurde.
    »Timo Stifter behauptet, dass er gestern Abend bei Ihnen war. Wann war das genau?«
    »Ja, stimmt«, sagte die alte Dame. »Er ist um elf gekommen, mit Auto, und dann wir haben Maraschino getrunken, über Selena gesprochen und haben um
halb eins schlafen gelegen.«
    »Und er hat hier übernachtet?«
    »Ja, natürlich! Mit so viel Maraschino fahren ist nicht gut.«
    »War sonst noch jemand dabei?«
    »Nein. Timo und ich nur.«
    Die Art, wie die Frau ihn ansah, während sie die Schafe versorgte, machte Wondrak fertig. Es war, als wären Hände und Kopf getrennt voneinander. Sie sah ihn voll konzentriert an, und ihre Hände waren voll konzentriert bei den Schafen.
    Wahrscheinlich multipliziert sie außerdem noch gleichzeitig 124 mit 296, dachte Wondrak und teilte ihr mit: »Ein Kollege von Timo ist gestern gestorben. Arnold O. Langer.«
    Die Frau sah ihn mit einem spöttischen Blick an, der sagen wollte: › Das wusste ich lange vor dir, Bürschchen. ‹ Sagte aber nur: »Sie hätten besser eingesperrt Olanger. Aber jetzt ist gut. Jetzt ist tot. Aber macht meine Selena nicht mehr lebendig. Und ihr Baby.«
    »Selena war schwanger.« Wondrak wusste es von der Gerichtsmedizin.
    »Ich weiß, ja.«
    »Hat es Ihnen Selena gesagt?«
    »Nein, ich habe gewusst, Selena habe gewusst, mussen nix sagen.«
    »Aber die Schwangerschaft war doch noch ganz früh. Hatte Selena einen Schwangerschaftstest benutzt?«
    »Brauchen nix Test. Wissen besser ist als Testen.«
    Wondrak wurde klar, dass diese Art von Wissen ihm wohl ewig verschlossen bleiben würde.
    »Selena hatte besondere Fähigkeiten, hat mir Timo erzählt. Sie war mit allem verbunden. Mit Ihnen auch?«
    Wondrak hatte erwartet, dass sich die Augen der alten Frau nun mit Tränen füllen würden, aber sie blieben klar und blickten ihn unverwandt an.
    »Alles mit allem ist verbunden. Auch Sie und ich. Ich habe geweint genug um Selena.«
    Jetzt erst merkte Wondrak, dass sie ihn gemeint hatte, dass sie mit ihm verbunden war. Hatte sie gerade seine Gedanken gelesen?
    »Was gedacht ist oder gesagt ist, dasselbe ist. Manche hören nur reden, manche hören reden und denken.«
    Wondrak nahm sich also vor, nichts zu denken, um nicht abgehört zu werden und redete drauflos. »Wenn Reden und Denken dasselbe ist, wie ist es dann mit dem Tun? Ist Tun nicht auch dasselbe? Reden, denken, tun.«
    Die alte Frau hielt ihm die Hand hin. »Ich bin Amalia. Du guter Mann. Du viel verstehen. Aber nicht alles.«
    Wondrak schüttelte die Hand und nannte seinen Namen: »Wondrak.« Er wollte ihr nicht seinen Vornamen verraten, so als könnte ihn das vor etwas Unheimlichem schützen. Er kam sich nämlich gerade so vor, als würde er in Badehose und Schwimmflügeln vor einer Atlantiküberquerung stehen. Und dabei hatte er gerade mal sein Seepferdchen-Schwimmabzeichen bestanden.
    »Du musst nicht haben Angst, Thomas. Andere Leute mussen haben Angst.«
    Na super. Da bin ich weg aus Wien und doch wieder mitten im Balkan, dachte Wondrak. Aber stattdessen fragte er: »Werden denn noch mehr Menschen sterben müssen?«
    »Jeden Tag sterben Menschen. So ist das Leben.« Es war der erste Satz, den Amalia vollkommen fehlerfrei zu Wondrak gesagt hatte.

     
    »Pfarrer, ich weiß nicht mehr weiter. Kannst du mir helfen?«, fragte Wondrak seinen Freund Weißenbacher bei einem g’spritzten Weißen.
    »Liebeskummer?«, fragte der.
    »Nein, diesmal nicht.« Und schon besserte sich Wondraks Laune etwas. Denn wenigstens in Liebesdingen lief es im Moment recht rosig. »Hast du etwas über die Familie Artic herausbekommen?«
    »Nicht viel«, begann Weißenbacher, »das ist eine kroatische Sippe, aber die sind nicht katholisch und auch sonst nicht gläubig. Wahrscheinlich sind sie eine Mischung aus Orthodoxen und Katholiken, in solchen Familien löst sich der Glaube manchmal einfach auf. Die Tochter wird Donnerstag oder Freitag ohne Gottesdienst in einer Verabschiedungsfeier beigesetzt.«
    »Kannst du da nicht hingehen? Könntest ein bisschen Trost zusprechen, könntest dir die Familie ansehen, könntest für deine Gemeinde werben.«
    Weißenbacher sah Wondrak lächelnd an. »Thomas – was genau soll ich dort für dich tun? Doch wohl nicht für meine Gemeinde Werbung machen.«
    Wondrak erzählte ihm die ganze Geschichte. Auch, dass Amalia Gedanken lesen konnte und sie ihm unheimlich war. »Eigentlich glaube ich nicht an schwarze Magie und so einen Kram. Aber hier muss ich eine Ausnahme machen, glaube

Weitere Kostenlose Bücher