Werde mein in Luxor
brauchte nur ihre Mutter oder Jake anzurufen. Sobald sie ihre Stimmen hören würde, wüsste sie, dass die Welt wieder in Ordnung war.
„Dann übernachten wir also in Kairo?“, fragte sie.
„Ja, wir haben keine andere Wahl.“
„Warum?“
Er zuckte die Schultern. „Mein Pilot befürchtet, dass der Tank ein Leck haben könnte, und besteht auf einer Kontrolle, bevor wir weiterfliegen.“
„Das ist vernünftig.“
„Ja, natürlich.“
Sein ungeduldiger Tonfall verriet allerdings, dass er die Sorge seines Piloten für übertrieben hielt. Plötzlich wurde sie wieder von Heimweh überwältigt. Sie hatte es satt, von Fremden umgeben zu sein. Sie wollte einfach nur nach Hause. Zurück zu den Menschen, die sie kannten und liebten, und die sie liebte.
„Gibt es eine Gelegenheit, meinen Bruder anzurufen?“, fragte sie mit tränenerstickter Stimme.
„Vielleicht sollten wir noch warten, bis ein Arzt Sie gesehen hat.“
Liv erstarrte. „Ein Arzt? Warum?“
„Das ist Routine. Es ist üblich, wenn jemand aus dem Gefängnis geholt wurde …“
„Wie oft haben Sie so etwas schon gemacht?“, unterbrach sie ihn.
„Oft genug, um zu wissen, dass Sie untersucht und als reisefähig eingestuft werden müssen.“
„Aber mir fehlt nichts“, beteuerte sie. Sie wollte nicht, dass jemand sie berührte und untersuchte, oder ihr auch nur zu nahe kam. Das hatte sie in Ozr zu oft erlebt. „Mir geht es gut.“
Er durchbohrte sie mit seinem dunklen Blick. „Sie haben keine Wahl, Miss Morse.“ Sein Tonfall war schärfer geworden. „Sie müssen sich untersuchen lassen. Ich kann kein Risiko eingehen. Sie waren wochenlang in Ozr eingesperrt. Das Gefängnis ist eine Brutstätte für alle möglichen Krankheiten.“
„Ich glaube nicht, dass ich mich mit irgendetwas angesteckt habe, und falls doch, werde ich es zu Hause abklären lassen.“ Bei meinem Arzt, fügte sie in Gedanken trotzig hinzu.
Obwohl Scheich Fehz sie aus Ozr gerettet hatte, vertraute sie ihm nicht blind. Sie vertraute überhaupt niemandem mehr. Der Umgang miteinander, die Regeln hier unterschieden sich so sehr von der Kultur, in der sie aufgewachsen war. Vieles konnte sie schlicht nicht richtig einschätzen.
Ihr Heimweh war wie ein bohrender Schmerz. Sie vermisste ihre Mutter und ihren Bruder. Sie sehnte sich nach Speisen, die sie kannte, nach Düften, die ihr vertraut waren.
Sie wünschte sich zurück nach Pierceville, ihrem kleinen Heimatstädtchen mit seiner verschlafenen Hauptstraße, den großen alten Eichen und dem heruntergekommenen Lichtspieltheater, in dem aktuelle Filme erst Wochen später gezeigt wurden als in den großen Städten. Sie vermisste die schräg eingeparkten Autos auf der Main Street, den kleinen Laden an der Ecke und die beiden Bäckereien mit ihren ewig gleichen Auslagen.
„Sie dürfen das Land erst verlassen, wenn Sie von offizieller Seite die Erlaubnis erhalten.“ Die Stimme des Scheichs riss sie aus ihren Gedanken. Er sprach langsam, um sicherzustellen, dass sie ihn auch wirklich verstand. „Ohne Ausreisegenehmigung kommen Sie nicht nach Hause.“
Nach Hause.
Das Wort durchdrang den Nebelvorhang ihrer Sehnsucht.
Weil ihr die Tränen kamen, wandte sich Liv schnell ab und schaute aus dem Fenster.
„Wer bestimmt, wann ich zurück in die USA darf?“, fragte sie mit belegter Stimme. „Sie oder die ägyptische Regierung?“
„Beide.“
In ihr keimte der Verdacht auf, womöglich vom Regen in die Traufe gekommen zu sein. Woher sollte sie wissen, dass sie ihm trauen konnte? Vielleicht war er ja gar kein echter Scheich.
Khalid Fehz sah, wie Olivia das Gesicht abwandte. Sie war aufgebracht wegen der ärztlichen Untersuchung, aber das ließ sich nicht ändern. Er musste vorsichtig sein und sich peinlich genau an die Bestimmungen halten. Bei jeder Rettungsaktion ging er ein hohes persönliches Risiko ein.
„Die Ärztin ist eine sehr gute Freundin von mir“, erklärte er ruhig. Sie hatte immer noch den Kopf abgewandt und schaute aus dem Fenster, doch als gleich darauf die Sonne auf die Scheibe fiel, spiegelte das Glas ihr blasses und angespanntes Gesicht wider.
Wie verloren sie wirkt, dachte er.
Er ärgerte sich, dass ihre Angst ihm so naheging.
Was für ein lächerliches Bedürfnis, Menschen zu retten, auseinandergerissene Familien wieder zu vereinen und vermisste Menschen wieder zu jenen zurückzubringen, die sie liebten und um sie trauerten.
Er war kein Held, hatte nie einer sein wollen. Dies war nicht das Leben,
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