Werden sie denn nie erwachsen?
Möbels verhinderte.
Nach dem letzten Versuch, bei dem sie den Schrank ein paar Zentimeter durchs Fenster schoben und trotzdem nichts erreichten, gaben sie auf.
»Ich hab’s kommen sehen!« Die heimliche Schadenfreude in Katjas Stimme war nicht zu überhören.
»Aber ihr wolltet das Teil ja unbedingt in der Diele zusammenkloppen. Warum habt ihr es nicht gleich im Zimmer aufgebaut?«
»Weil hier draußen mehr Platz war«, blaffte Mark zurück. »Du hättest ja mal eher was sagen können!«
»Na ja, so ganz sicher war ich mir nicht. Die Berechnung von schiefen Winkeln ist nie mein Fall gewesen«, gab sie zu, »und ehe ich mich vor einem Mathe-Zweier blamiere, habe ich lieber den Mund gehalten.«
Den hielt Mark jetzt auch. Wütend begann er den Schrank wieder auseinanderzunehmen.
Michael feixte sich eins. »Beim zweitenmal kriegt ihr ihn bestimmt viel schneller zusammen. Wer aus seinen Fehlern nichts gelernt hat, hat bisher einfach zuwenig falsch gemacht.«
»Halt doch die Klappe, du Angeber! Du hast mit dem dämlichen Herd ganz einfach Glück gehabt. Genausogut hätte dir der ganze Krempel um die Ohren fliegen können! Das maximale Volumen subterraler Agrarproduktivität steht im reziproken Verhältnis zu der spirituellen Kapazität ihrer Erzeuger!«
»Was ist los?« Michael hatte nichts verstanden. Ich auch nicht.
»Der dümmste Bauer erntet die dicksten Kartoffeln«, sagte Mark lakonisch. »Also los, Bernd« – er bewegte eine imaginäre Klappe, wie sie vor Filmaufnahmen üblich ist – »Besenschrank zweitürig, Kiefer furniert, Standort Wohnzimmer, zum zweitenmal.«
Es war schon dunkel, als ich die letzten Papierfetzen und Bindfadenreste in einen der vielen Kartons stopfte. Die Hilfstruppen waren schon lange abgezogen und hatten neben zwei leeren Sprudelkisten auch noch viele Fußabdrücke verschiedener Größe auf den schönen neuen Teppichböden hinterlassen.
»Halb so schlimm«, sagte Nicki müde abwinkend, »wir haben ja deinen Staubsauger noch hier, damit orgeln wir morgen mal kurz durch die Bude, dann ist alles weg. Du hast doch von Frau Keks gelernt, daß Dreck, den man nicht sieht, sauber ist.«
»Den sieht man aber. Soll ich nicht schnell …«
»Untersteh dich! Für heute habe ich die Schnauze voll – äh, ich meine, für heute ist mein Bedarf an manueller Tätigkeit gedeckt.« Sie gähnte ausgiebig.
»Na gut, dann kann ich mich wohl auch verabschieden.«
Siedendheiß war mir eingefallen, daß ich an meinen verwaisten Ehemann nur selten und an den morgigen Sonntag überhaupt nicht gedacht hatte, sprich: Es war mal wieder nichts zu essen im Haus. Auch gut, dann gehen wir eben essen. Jetzt kostete es ja nur halb soviel wie sonst immer.
»Weißt du was, Määm«, begann Katja zögernd, »wenn ich dieses Durcheinander hier sehe und den ganzen Mist, der noch herumliegt« – sie ließ ihren Blick über die Bücherstapel auf dem Fußboden, über die an der Wand lehnenden Bilder und Regalbretter, über die hunderttausend Kleinigkeiten, die noch auf das Einräumen warteten, schweifen – »dann hätte ich größte Lust, noch mal mit nach Hause zu fahren. Morgen beim Aufstehen als erstes über ’n Hammer zu stolpern und dann sämtliche Kartons nach Zahnpasta zu durchforsten, ist nicht gerade das, was ich mir unter einem Sonntagmorgen vorstelle.
Was meinst du, Nicki, vertagen wir die erste Nacht im eigenen Heim auf Montag?«
»Müssen wir sowieso«, kam es aus der Küche zurück, »oder weißt du vielleicht, was wir morgen essen sollen?«
11
Nun waren sie also weg. Der Zeitpunkt, zu dem die Zwillinge flügge werden und das Elternhaus verlassen würden, war viel zu schnell herangekommen. Zwanzig Jahre alt waren sie gerade, und nun sollten sie plötzlich auf eigenen Füßen stehen, ihr Geld statt für modisches Outfit jetzt für Bandnudeln und Waschpulver ausgeben und sich um den täglichen Kleinkram kümmern müssen, den ich bisher für sie erledigt hatte. Sie hatten auch ihre Schwierigkeiten damit. Wenn das Telefon klingelte, griff ich als erstes nach Block und Bleistift.
»Hallo, Määm, wir kommen mit der polizeilichen Anmeldung nicht ganz klar. Wo ist denn nun unser Zweitwohnsitz? Kannst du gleich mal zurückrufen?«
Aufgelegt.
Diese Methode hatte sich eingebürgert, nachdem die Mädchen ihre erste Telefonrechnung bekommen hatten.
»Telefonieren können wir uns nicht leisten«, hatte Katja sofort erklärt, »höchstens mal einen Anruf in die Pizzeria oder beim Notarzt, mehr ist nicht
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