Werden sie denn nie erwachsen?
zusammensammeln zu müssen und endlich ein aufgeräumtes Bad zu haben. – Na ja, Lidschatten, Clearasil und vier Sorten Shampoo wird der Hund wohl nicht brauchen. Was hat übrigens euer Vater zu dem Wollknäuel gesagt?«
»Der hat sich gefreut. Kein Wunder, er ist ja mit Hunden aufgewachsen. Aber Gassigehen will er trotzdem nicht mehr, hat er gesagt«, fügte Katja kleinlaut hinzu.
Es klingelte. Sofort wurde Zorro wach, wollte von meinem Schoß herunter, schaffte es nicht, winselte kläglich. Ich setzte ihn auf die Erde. Er wieselte zur Tür, die Nicole schon geöffnet hatte, und als er zurückkam, hatte er sich verdoppelt. Sein Ebenbild kugelte neben ihm her, einträchtig beschnupperten sie meine Schuhe, und einträchtig pinkelten sie dicht daneben auf den Teppichboden.
»Sind das etwa zwei?« rief ich entsetzt.
»Ja, aber der andere ist mir.« Vicky stand im Türrahmen und lachte Tränen. »Das sind nämlich halbe Brüder.«
»Halbbrüder«, verbesserte Katja. »Sie haben denselben Vater, aber verschiedene Mütter. Deshalb ist Mäxchen auch drei Tage älter.«
»Wenigstens hat er einen vernünftigen Namen«, sagte ich.
»I wo, eigentlich heißt er Yoschi, aber Sascha hat ihn gleich umgetauft.«
»Und wie nennen wir unseren? Moritz?«
»Klingt gar nicht schlecht«, überlegte Nicole laut, »obwohl ich finde, daß er nicht wie ein Moritz aussieht.
Eher wie Willi.«
»Willi geht nicht, so hieß mein Großvater, und der hatte mit Hunden nichts am Hut.«
Nach zwei Tagen hatten wir endlich einen passenden Namen gefunden: Otto. Und nach vier Tagen wußte ich, daß mindestens sechs männliche Bewohner der umliegenden Häuser, den Briefträger eingeschlossen, ebenfalls Otto hießen. Erst guckten sie etwas indigniert, wenn ich lauthals hinter ihnen her brüllte, doch dann entdeckten sie das Hundebaby in meiner Nähe und grinsten. Otto bekam ein grünes Halsband, das er nach erbittertem Widerstand schließlich akzeptierte, und eine dazu passende Leine, die wir gleich wieder in die Flurkommode verbannten. Der erste Versuch, den Hund damit aus dem Haus zu bekommen, hätte beinahe mit seinem Selbstmord durch Erwürgen geendet.
Von nun an bestimmte Otto den Tagesablauf. Die Zwillinge waren unter Hinterlassung eines Dackelaufzuchtbuches wieder nach Dossenheim gefahren, und ich las jetzt morgens beim Frühstück statt der Tageszeitung den Leitfaden zur sachgemäßen Aufzucht von Welpen. Im übrigen war er ähnlich ergiebig wie seinerzeit der dicke Wälzer über Babypflege. Sven hatte nichts von dem getan, was er laut Buch hätte tun müssen, er hatte gebrüllt, wenn er hätte schlafen sollen, hatte geschlafen, wenn Essenszeit war, hatte viel zu spät den ersten Zahn bekommen und viel zu früh mit Laufen angefangen.
Otto verhielt sich ebensowenig kooperativ. Brachte ich ihn stündlich in den Garten, wo er nun wirklich genug Auswahl an Bäumen und Sträuchern hatte, dann wuselte er durch den Rasen, schnüffelte sich via Terrasse zurück ins Haus und suchte sich wenig später unter der Heizung oder vor der Bücherwand einen ihm genehmen Platz, den er befeuchten konnte. Es beeindruckte ihn auch nicht im geringsten, daß er anschließend sofort wieder an die frische Luft gesetzt wurde. Den größten Teil des Tages verbrachte ich auf Knien rutschend mit Schwamm und Trockenschaum. Nach vier Wochen hatte ich ihn so weit, daß er wenigstens jedes zweite Mal den Garten bewässerte, aber richtig stubenrein wurde er erst nach Monaten. Rolf meinte dann, ein neuer Teppichboden sei ohnedies mal wieder nötig gewesen.
Vickys Max dagegen war ein sehr intelligenter Hund. Er hob bereits sein Bein vorschriftsmäßig am Baum, als Otto noch wie ein Hundemädchen sitzend in die Gegend pinkelte. Er marschierte stolz an der Leine, während Otto fiepend unter den Tisch kroch, sobald ich mit dem Ding ankam, und Max konnte auch schon bellen, als Otto immer noch heisere Krächzlaute von sich gab. Irgend etwas mußte bei ihm schiefgelaufen sein.
Sein amtlich beglaubigter Stammbaum war zwar länger als mein eigener, doch nach gründlichem Studium stellte ich fest, daß alle an Ottos Entstehung beteiligten Hunde eng miteinander verwandt gewesen waren – Großväter, Neffen ersten Grades sowie Onkel, Cousins und sogar Brüder, samt und sonders adelig (es sei denn, eine eventuelle Mesalliance ist schamhaft verschwiegen worden). Allem Anschein nach war Otto das dekadente Produkt einer Ahnenreihe, die permanent Inzucht betrieben hatte.
Nachdem ich
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