Werke
Jugend auch studiert; ich bin bis auf das Mark der Gelehrsamkeit gekommen. Aber daß ich beständig über den Büchern gelegen hätte, das ist nicht wahr. Ich ging spazieren; ich spielte; ich besuchte Gesellschaften; ich machte Bekanntschaft mit Frauenzimmern. Was der Vater in der Jugend getan hat, kann der Sohn auch tun; soll der Sohn auch tun. A bove majori discat arare minor! wie wir Lateiner reden. Besonders das Frauenzimmer laß dir, wie wir Lateiner reden, de meliori empfohlen sein! Das sind Narren, die einen jungen Menschen vor das Frauenzimmer ärger als vor Skorpionen warnen; die es ihm, wie wir Lateiner reden, cautius sanguine viperino zu fliehen befehlen. –
Damis
. Cautius sanguine viperino? Ja, das ist noch Latein! Aber wie heißt die ganze Stelle?
Cur timet flavum Tiberim tangere? cur olivum
Sanguine viperino
Cautius vitat? – –
O ich höre schon, Herr Vater, Sie haben auch nicht aus der Quelle geschöpft! Denn sonst würden Sie wissen, daß Horaz in eben der Ode die Liebe als eine sehr nachteilige Leidenschaft beschreibt, und das Frauenzimmer – –
Chrysander
. Horaz! Horaz! Horaz war ein Italiener, und meinet das italienische Frauenzimmer. Ja vor dem italienischen warne ich dich auch! das ist gefährlich! Ich habe einen guten Freund, der in seiner Jugend – – Doch still! man muß kein Ärgernis geben. – Das deutsche Frauenzimmer hingegen, o das deutsche! mit dem ist es ganz anders beschaffen. – – Ich würde der Mann nicht geworden sein, der ich doch bin, wenn mich das Frauenzimmer nicht vollends zugestutzt hätte. Ich dächte, man sähe mirs an. Du hast tote Bücher genug gelesen; guck einmal in ein lebendiges!
Damis
. Ich erstaune – –
Chrysander
. O du wirst noch mehr erstaunen, wenn du erst tiefer hinein sehen wirst. Das Frauenzimmer, mußt du wissen, ist für einen jungen Menschen eine neue Welt, wo man so viel anzugaffen, so viel zu bewundern findet – –
Damis
. Hören Sie mich doch! Ich erstaune, will ich sagen, Sie eine Sprache führen zu hören, in der wahrhaftig diejenigen Vorschriften nicht ausgedrückt waren, die Sie mir mit auf die hohe Schule gaben.
Chrysander
. Quae, qualis, quanta! Jetzt und damals! Tempora mutantur, wie wir Lateiner sagen.
Damis
. Tempora mutantur? Ich bitte Sie, legen Sie doch die Vorurteile des Pöbels ab. Die Zeiten ändern sich nicht. Denn lassen Sie uns einmal sehen: was ist die Zeit? – –
Chrysander
. Schweig! die Zeit ist ein Ding, das ich mir mit deinem unnützen Geplaudre nicht will verderben lassen. Meine damaligen Vorschriften waren nach dem damaligen Maße deiner Erfahrung und deines Verstandes eingerichtet. Nun aber traue ich dir von beiden so viel zu, daß du Ergötzlichkeiten nicht zu Beschäftigungen machen wirst. Aus diesem Grunde rate ich dir also – –
Damis
. Ihre Reden haben einigen Schein der Wahrheit. Allein ich dringe tiefer. Sie werden es gleich sehen. Der Status Controversiä ist – –
Chrysander
. Ei, der Status Controversiä mag meinetwegen in Barbara oder in Celarent sein. Ich bin nicht hergekommen mit dir zu disputieren, sondern – –
Damis
. Die Kunstwörter des Disputierens zu lernen? Wohl! Sie müssen also wissen, daß weder Barbara noch Celarent den Statum – –
Chrysander
. Ich möchte toll werden! Bleib Er mir, Herr Informator, mit den Possen weg, oder – –
Damis
. Possen? diese seltsamen Benennungen sind zwar Überbleibsel der scholastischen Philosophie, das ist wahr; aber doch solche Überbleibsel – –
Chrysander
. Über die ich die Geduld verlieren werde, wann du mich nicht bald anhörst. Ich komme in der ernsthaftesten Sache von der Welt zu dir, – – denn was ist ernsthafter als heiraten? – – und du – –
Damis
. Heiraten? Des Heiratens wegen zu mir? zu mir?
Chrysander
. Ha! ha! macht dich das aufmerksam? Also ausculta et perpende!
Damis
. Ausculta et perpende? ausculta et perpende? Ein glücklicher Einfall –
Chrysander
. O, ich habe Einfälle –
Damis
. Den ich da bekomme!
Chrysander
. Du?
Damis
. Ja, ich. Wissen Sie, wo sich dieses ausculta et perpende herschreibt? Eben mache ich die Entdeckung: aus dem Homer. O was finde ich nicht alles in meinem Homer!
Chrysander
. Du und dein Homer, ihr seid ein Paar Narren!
Damis
. Ich und Homer? Homer und ich? wir beide? Hi! hi! hi! Gewiß, Herr Vater? O ich danke, ich danke. Ich und Homer! Homer und ich! – Aber hören Sie nur: so oft Homer – er war wirklich kein Narr, so wenig wie ich – so oft er, sag ich,
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