Werke
Was willst du mit der Stadt?
Anton
. Sie denken etwa, ich weiß nicht, was eine Republik ist? – – Sachsen, zum Exempel – – Und eine Republik hat ja mehr wie eine Stadt? nicht?
Damis
. Was für ein Idiote! Ich rede von der Republik der Gelehrten. Was geht uns Gelehrten, Sachsen, was Deutschland, was Europa an? Ein Gelehrter, wie ich bin, ist für die ganze Welt: er ist ein Kosmopolit: er ist eine Sonne, die den ganzen Erdball erleuchten muß – –
Anton
. Aber sie muß doch wo liegen, die Republik der Gelehrten.
Damis
. Wo liegen? dummer Teufel! die gelehrte Republik ist überall.
Anton
. Überall? und also ist sie mit der Republik der Narren an einem Orte? Die, hat man mir gesagt, ist auch überall.
Damis
. Ja freilich sind die Narren und die Klugen, die Gelehrten und die Ungelehrten überall untermengt, und zwar so, daß die letztern immer den größten Teil ausmachen. Du kannst es an unserm Hause sehen. Mit wie viel Toren und Unwissenden findest du mich nicht hier umgeben? Einige davon wissen nichts, und wissen es, daß sie nichts wissen. Unter diese gehörst du. Sie wollten aber doch gern etwas lernen, und deswegen sind sie noch die erträglichsten. Andre wissen nichts, und wollen auch nichts wissen; sie halten sich bei ihrer Unwissenheit für glücklich; sie scheuen das Licht der Gelehrsamkeit – –
Anton
. Das Eulengeschlecht!
Damis
. Noch andre aber wissen nichts, und glauben doch etwas zu wissen; sie haben nichts, gar nichts gelernt, und wollen doch den Schein haben, als hätten sie etwas gelernt. Und diese sind die allerunerträglichsten Narren, worunter, die Wahrheit zu bekennen, auch mein Vater gehört.
Anton
. Sie werden doch Ihren Vater, bedenken Sie doch, Ihren Vater, nicht zu einem Erznarren machen?
Damis
. Lerne distinguieren! Ich schimpfe meinen Vater nicht, in so fern er mein Vater ist, sondern in so fern ich ihn, als einen betrachten kann, der den Schein der Gelehrsamkeit unverdienter Weise an sich reißen will. In so fern verdient er meinen Unwillen. Ich habe es ihm schon oft zu verstehen gegeben, wie ärgerlich er mir ist, wenn er, als ein Kaufmann, als ein Mann, der nichts mehr, als gute und schlechte Waren, gutes und falsches Geld kennen darf, und höchstens das letzte für das erste wegzugeben wissen soll; wenn der, sage ich, mit seinen Schulbrocken, bei welchen ich doch noch immer etwas erinnern muß, so prahlen will. In dieser Absicht ist er ein Narr, er mag mein Vater sein, oder nicht.
Anton
. Schade! ewig Schade! daß ich das in so fern und in Absicht nicht als ein Junge gewußt habe. Mein Vater hätte mir gewiß nicht so viel Prügel umsonst geben sollen. Er hätte sie alle richtig wiederbekommen; nicht in so fern als mein Vater, sondern in so fern als einer, der mich zuerst geschlagen hätte. Es lebe die Gelehrsamkeit! – –
Damis
. Halt! ich besinne mich auf einen Grundsatz des natürlichen Rechts, der diesem Gedanken vortrefflich zu statten kömmt. Ich muß doch den Hobbes nachsehen! – – Geduld! daraus will ich gewiß eine schöne Schrift machen!
Anton
. Um zu beweisen, daß man seinen Vater wieder prügeln dürfe? – –
Damis
. Certo respectu allerdings. Nur muß man sich wohl in Acht nehmen, daß man, wenn man ihn schlägt, nicht den Vater, sondern den Aggressor zu schlagen sich einbildet; denn sonst – –
Anton
. Aggressor? Was ist das für ein Ding?
Damis
. So heißt der, welcher ausschlägt – –
Anton
. Ha, ha! nun versteh ichs. Zum Exempel; Ihnen mein Herr stüße wieder einmal eine kleine gelehrte Raserei zu, die sich meinem Buckel durch eine Tracht Schläge empfindlich machte; so wären Sie – – wie heißt es? – – der Aggressor; und ich, ich würde berechtiget sein, mich über den Aggressor zu erbarmen, und ihm – –
Damis
. Kerl, du bist toll! – –
Anton
. Sorgen Sie nicht; ich wollte meine Gedanken schon so zu richten wissen, daß der Herr unterdessen bei Seite geschafft würde – –
Damis
. Nun wahrhaftig; das wäre ein merkwürdiges Exempel, in was für verderbliche Irrtümer man verfallen kann, wenn man nicht weiß, aus welcher Disziplin diese oder jene Wahrheit zu entscheiden ist. Die Prügel, die ein Bedienter von seinem Herrn bekömmt, gehören nicht in das Recht der Natur, sondern in das bürgerliche Recht. Wenn sich ein Bedienter vermietet, so vermietet er auch seinen Buckel mit. Diesen Grundsatz merke dir.
Anton
. Aus dem bürgerlichen Rechte ist er? O das muß ein garstiges Recht sein. Aber ich sehe es nun
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