Werke
meine Antwort selbst, zu einem Beweise seiner Klage macht. Warum sollte ich ihm nicht, mit gutem Vorsatze, noch mehrere Beweise zu einer Klage liefern, die ich verachte?
2. Aber der Vorwurf, daß ich den Ungenannten mit unverdienten und unmäßigen Lobsprüchen beehret, in der doppelt schelmischen Absicht, bei flachen Lesern ein günstiges Vorurteil für ihn zu erschleichen, und die Gegner abzuschrecken, die sich etwa wider ihn rüsten möchten: dieser Vorwurf ist ernsthafter und verdienet eine ernsthaftere Antwort. Nur Schade, daß ich diese ernsthaftere Antwort nicht so einleuchtend zu machen im Stande bin. Denn dieses zu können, müßte schon das ganze Werk des Ungenannten der Welt vor Augen liegen, indem sich alle meine Lobsprüche bloß und allein auf eine Beschaffenheit desselben beziehen, aus einer Beschaffenheit desselben entsprungen sind. Und aus welcher? Aus einer solchen, die sich gar wohl auch von einem Werke denken läßt, das in der Hauptsache sehr weit vom Ziele schießt. Ich habe es ein freimütiges, ernsthaftes, gründliches, bündiges, gelehrtes Werk genannt: lauter Eigenschaften, aus welchen die Wahrheit der darin abgehandelten Materie noch keines Weges folget; und die ich gar wohl auf den Verfasser übertragen dürfen, ohne ihn deswegen als einen Mann anzunehmen oder zu empfehlen, auf den man sich in allen Stücken verlassen könne. Es setzen daher auch diese Lobsprüche im geringsten nicht voraus, daß ich ihn näher, oder aus mehrern Werken kenne; noch weniger, daß ich ihn persönlich kenne, oder gekannt habe.
Denn so empfindlich es auch immer dem Herrn Hauptpastor mag gewesen sein, daß ich geradezu gesagt »mein Ungenannter sei des Gewichts, daß in allen Arten der Gelehrsamkeit, sieben Goezen nicht ein Siebenteil von ihm aufzuwägen vermögend sind«: so getraue ich mir doch diese Äußerung einzig und allein aus dem gut zu machen, was mir von seinem Werke in den Händen ist. Der Herr Hauptpastor muß nur nicht, was ich von allen Arten der Gelehrsamkeit sage, auf alle Minutissima dieser Arten ausdehnen. So möchte es z.E. mir allerdings wohl schwer zu erweisen sein, daß mein Ungenannter von allen Plattdeutschen Bibeln eine eben so ausgebreitete gründliche Kenntnis gehabt, als der Herr Hauptpastor. Kaum dürften ihm die verschiednen Ausgaben der Lutherischen Bibelübersetzung selbst, so vollkommen bekannt gewesen sein, als dem Herrn Hauptpastor; welcher so außerordentliche Entdeckungen darin gemacht, daß er auf ein Haar nun angeben kann, um wie weit mit jeder Ausgabe die Orthodoxie des seligen Mannes gewachsen. Aber alles dieses sind doch nur Stäubchen aus der Literargeschichte, welchen mein Ungenannter nur siebenmal siebenmal so viel andere Stäubchen eben daher entgegen zu setzen haben dürfte, um mich nicht zum Lügner zu machen. Und so mit den übrigen Kenntnissen allen! Selbst mit denen, die der Ungenannte actu gar nicht, sondern nur virtualiter besaß. Die Ursache ist klar. Er war ein selbstdenkender Kopf; und selbstdenkenden Köpfen ist es nun einmal gegeben, daß sie das ganze Gefilde der Gelehrsamkeit übersehen, und jeden Pfad desselben zu finden wissen, so bald es der Mühe verlohnet, ihn zu betreten. Ein Wievielteilchen eines solchen Kopfes dem Herrn Hauptpastor zu Teil worden, bleibt seinem eignen unparteiischen Ermessen anheimgestellt. Gnug daß 7 mal 7 nur 49 macht; und auch ein Neunundvierzigteilchen meines Ungenannten noch aller Hochachtung wert, und siebenmal mehr ist, als man an allen Orten und Enden der Christenheit zu einem Pastor oder Hauptpastor erfodert.
Doch halt! Ich habe ja meinen Ungenannten auch einen ehrlichen unbescholtenen Mann genannt: und dieses setzt doch wohl voraus, daß ich ihn näher und persönlich kenne? – Auch dieses nicht! Und ohne mich viel mit dem Quilibet praesumitur etc. zu decken, will ich nur gleich sagen, was für Grund in seinem Werke ich gefunden habe, ihm auch diese Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Nämlich; obschon mein Ungenannter freilich alle geoffenbarte Religion in den Winkel stellet; so ist er doch darum so wenig ein Mann ohne alle Religion, daß ich schlechterdings niemanden weiß, bei dem ich von der bloß vernünftigen Religion so wahre, so vollständige, so warme Begriffe gefunden hätte, als bei ihm. Diese Begriffe trägt das ganze erste Buch seines Werkes vor; und wie viel lieber hätte ich dieses erste Buch an das Licht gebracht, als ein andres Fragment, welches mir seine voreiligen Bestreiter abgedrungen haben!
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