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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gotthold Ephraim Lessing
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nicht in meiner Gewalt; habe auch nie gewünscht, sie in meiner Gewalt zu haben. Das einzige, was freilich mehrere Pferde Satyre zu nennen pflegen, und was mir hierüber zu Schulden kömmt, ist dieses, daß ich einen Postreiter einen Postreiter, und ein Pferd ein Pferd nenne. Aber wahrlich, man hat Unrecht, wenn man Offenherzigkeit, und Wahrheit mit Wärme gesagt, als Satyre verschreiet. Häckerling und Haber können nicht verschiedner von einander sein, mein gutes Pferd! Ich will dich besser lehren, was Satyre ist. Wenn dein Reiter, – sonst genannt der Schwager; weil er schwägerlich die Partei eines jeden hält, dem er vorreitet, – sagt, daß eine anständige Schreibart, in den Schriften des Herrn Hauptpastors herrsche; wenn er sagt, daß der Herr Hauptpastor mit Gründen streite: glaube mir; das, das ist Satyre. Das ist eben so platte Satyre, als wenn er dich einen Pegasus nennen wollte, indem du eben unter ihm in die Knie sinkest. Glaube mir, Scheckchen, du kennst diesen abgefeimten Schwager noch nicht recht: ich kenne ihn besser. Er hat sonst auch mir vorgeritten; und du glaubst nicht, was für hämische Lobsprüche sein ironisches Hörnchen da vor mir her geblasen. Wie er es mir gemacht hat, so macht er es allen; und ich betaure den Herrn Hauptpastor, wenn er, durch so ein boshaftes Lob eingeschläfert, sich nicht im Ernst auf die Gründe gefaßt hält, die der Schwager in ihm schon will gefunden haben. Er kann ja allenfalls den Schwager auch nur fragen, welches diese Gründe sind. – Denn komm an, Scheckchen, – weil ich doch einmal angefangen habe, mit einem Pferde zu raisonieren – Sage du selbst, edler Houyhnhnm – (man muß seinen Richter auch in einem Pferde ehren) – sage du selbst, mit was für Gründen kann der Mann streiten, der sich auf meine Gegengründe noch mit keinem Worte eingelassen hat? der, anstatt zu antworten, nur immer seine alte Beschuldigungen wörtlich wiederholt, und höchstens ein Paar neue hinzusetzt, die er eben so wenig gut zu machen gedenkt? Seit der Zeit, da du sein erstes Kartel in die weite Welt getragen, das du großmütig einem noch stumpf gerittenern Pferde abnahmest, hat er nicht aufgehört, mich mündlich und schriftlich zu schmähen, ob ich ihm gleich auf jenes sein Kartel, wie ein Mann geantwortet zu haben glaube. Warum widerlegt er meine Axiomata nicht, wenn er kann? Warum bringt er nur immer neue Lästerungen gegen mich auf die Bahn? Warum paßt er mir in allen hohlen Wegen so tückisch auf, und zwingt mich, ihm nicht als einem Soldaten, sondern als einem Buschklepper zu begegnen? Ist das guter Krieg, wenn er den Männern des Landes aus dem Wege geht, um die Weiber und Kinder desselben ungestört würgen zu können? Der Begriff ist der Mann; das sinnliche Bild des Begriffes ist das Weib; und die Worte sind die Kinder, welche beide hervorbringen. Ein schöner Held, der sich mit Bildern und Worten herumschlägt, und immer tut, als ob er den Begriff nicht sähe! oder immer sich einen Schatten von Mißbegriff schafft, an welchem er zum Ritter werde. Er versprach einst, den Liebhabern solcher Leckerbissen eine ganze große Schüssel Fricassee von diesen Weibern und Kindern meines Landes vorzusetzen (15) . Aber er hat sein Versprechen wieder zurückgenommen: denn es ist freilich ganz etwas anders, hier und da ein Weib oder ein Kind in meinem Lande meuchlings zu morden; und ganz etwas anders, dieser Weiber und Kinder zusammen mehrere, oder gar alle, in die Pfanne zu hauen. Er fand bald, daß er auch davon die Nase weglassen müsse; und ich muß bekennen, daß er mich damit um einen sehr lustigen Triumph gebracht hat. Denn die Gelegenheit wird mir sobald nicht wiederkommen, ohne Großsprecherei zeigen zu können, daß auch da, wo ich mit Worten am meisten spiele, ich dennoch nicht mit leeren Worten spiele; daß überall ein guter triftiger Sinn zum Grunde liegt, auch wenn nichts als lauter Ägyptische Grillen und Chinesische Fratzenhäuserchen daraus empor steigen. Das, wie gesagt, kann ich nicht mehr zeigen; und mit Analysierung der Proben, die der Herr Hauptpastor in der ersten blinden Hitze gegeben, will ich auch ein Pferd nicht aufhalten, das mehr zu tun hat. Lieber, wenn du meinest, edler Houyhnhnm, daß ich die Wiederlegung meiner Axiomen von ihm noch zu erwarten habe, will ich dich bitten, ihm durch den Schwager ein Wort im Vertrauen zukommen zu lassen, dieweil er es noch nutzen kann. – Aber warum durch den Schwager? Als ob ich dir minder zutraute, als dem

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