Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
Vom Netzwerk:
Sonnabend oder Sonntag mit dem Lernen ihrer Aufgaben beschäftigten oder überhaupt ihre Schulbücher mitgenommen hatten. Später, etwa im Jahre 1836, sprachen sie mit besonderer Begeisterung von ihrem Lehrer der Literatur und russischen Sprache, der förmlich ihr Abgott zu sein schien, da sein Name beständig in ihrem Munde war. Leider kann ich mich auch auf diesen Namen nicht mehr besinnen.
    »Ich habe schon erwähnt, daß bei uns abends, wenn wir uns im Wohnzimmer versammelten, immer vorgelesen wurde. Die Eltern lasen abwechselnd vor, und später taten es auch die Brüder, wenn die Eltern müde waren. Es wurden hauptsächlich Geschichtswerke vorgelesen, wie die ›Geschichte des russischen Reiches‹ von Karamsin, desgleichen seine ›Briefe eines russischen Reisenden‹; ferner Gedichte von Derschawin, Übersetzungen von Shukowski, von Puschkin vornehmlich die Erzählungen und noch vieles andere.«
    Nach Fjodor Michailowitschs eigenen Aussagen hat er mit Vorliebe Reisebeschreibungen gelesen, und unter dem Eindruck solcher Lektüre ist es alsbald sein Traum, sein glühendster Wunsch gewesen, einmal nach Venedig zu reisen (wie Iwan Karamasoff), und nach Konstantinopel und überhaupt nach dem Orient, der sein Vorstellungsvermögen gewaltig beschäftigte.
    »Die älteren Brüder lasen beständig, ja jeden Augenblick ihrer freien Zeit verbrachten sie mit Lektüre. In Fjodors Händen sah ich am häufigsten die Romane von Walter Scott, ›Quentin Durward‹ und ›Waverley‹, die er trotz der altmodischen und schwerfälligen Übersetzung immer wieder las. Dasselbe tat er auch mit allen Werken von Puschkin. Ob er damals auch Gogol schon kannte, vermag ich nicht zu sagen. Aber Karamsins ›Geschichte Rußlands‹ lag bei ihm ständig auf dem Tisch: die konnte er immer wieder lesen, wenn er gerade nichts Neues hatte. Außerdem brachten die Brüder die bunten kleinen Monatserscheinnngen der ›Lesebibliothek‹ mit nach Hause, die damals zu erscheinen begann. Die Eltern lasen übrigens diese Bücher nie. Fjodor bevorzugte im allgemeinen ernste Prosalektüre, im Gegensatz zu Michail, der Poesie liebte und damals bereits selbst dichtete (womit Fjodor sich nicht abgab). Aber für Puschkin schwärmten sie beide, und wenn ich nicht irre, konnten sie alle seine Gedichte auswendig. Puschkin lebte damals noch. Sein Name wurde in der Literaturgeschichte kaum erwähnt und seine Werke wurden in den Schulen noch nicht durchgenommen, geschweige denn auswendig gelernt, wie dies jetzt geschieht. Puschkins Ansehen als Dichter war eben damals viel geringer als das Ansehen Shukowskis, sogar bei den Literaturhistorikern, und ebenso natürlich bei unseren Eltern, was von seiten der Brüder, besonders von Fjodor, mehrfach den lebhaftesten Widerspruch hervorrief. Ich erinnere mich noch, wie sie damals gleichzeitig jeder ein Gedicht auswendig lernten: Michail die Shukowskische Übersetzung des ›Grafen von Habsburg‹ und Fjodor – gleichsam als Gegenstück – Puschkins Ballade ›Oleggs Tod‹. Als sie die Gedichte den Eltern vorgetragen hatten, gaben diese dem ersteren den Vorzug, gewiß nur deshalb, weil es von Shukowski war. Unsere Mutter hatte übrigens seitdem eine besondere Vorliebe für diese beiden Gedichte, und oft bat sie die Brüder, sie vorzutragen; sogar während ihrer letzten Krankheit, als sie schon ganz zu Bett lag (sie starb an der Schwindsucht) hörte sie ihnen immer noch mit Genuß zu.
    »Die Brüder pflegten überhaupt keinen Verkehr, auch nicht mit ihren Schulkameraden. Nur einmal besuchte ein Klassenkamerad, ein gewisser Kudrjäwzoff, meinen Bruder Michail, worauf diesem erlaubt ward, den Besuch zu erwidern, doch damit war auch dieser Verkehr abgetan. Nur Wanitschka Umnoff, der Sohn einer Bekannten unserer Eltern, kam hin und wieder zu uns, aber der war Gymnasiast und etwas älter als meine Brüder. Von ihm hörten sie einmal eine Satire von Wojeikoff auf die literarischen Größen der Zeit, ›Das Irrenhaus‹, ein Spottgedicht, das damals nur in Abschriften verbreitet war und das Wanitschka Umnoff auswendig gelernt hatte. Doch als die Brüder es gleichfalls auswendig konnten und dem Vater vortrugen, mißfiel es diesem sehr: zunächst hielt er es für einen Gymnasiastenstreich, doch selbst als man ihn überzeugte, daß der Dichter Wojeikoff es verfaßt habe, erklärte er dennoch, daß es unanständig sei, weil es beleidigende Ausdrücke gegen anerkannte literarische Größen enthielt, besonders gegen Shukowski.«
    Der

Weitere Kostenlose Bücher