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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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Grund, weshalb sie mit keinem ihrer Mitschüler verkehrten, ist wohl allem Anscheine nach in dem anspruchsvollen Mißtrauen der Eltern, namentlich des Vaters, zu suchen, der in einer so wichtigen Sache, wie es die Wahl von Freunden ist, offenbar nicht wählerisch genug sein konnte. Fjodor Michailowitsch aber hat selbst mehrfach erzählt, daß er beständig das Verlangen nach Freunden gehabt habe, doch infolge seiner überaus großen Empfindlichkeit sei es ihm nicht gegeben gewesen, Freundschaft zu pflegen. Es ist anzunehmen, daß seine Feinfühligkeit die unter Jungen üblichen derben Späße nicht ertrug. Dafür hat er, wie einer seiner Mitschüler sich erinnert, immer andere, besonders Neulinge, gegen die gleichfalls in allen Schulen üblichen Anrempelungen oder rüden Ausfälle der älteren Schüler verteidigt.
    »Unser Vater,« berichtet Andrei Michailowitsch weiter, »war von größter Achtsamkeit in der Aufsicht über die Sittlichkeit seiner Kinder, besonders als die älteren Brüder zu Jünglingen heranzuwachsen begannen. Ich erinnere mich nicht, daß meine Brüder auch nur einmal allein irgendwohin ausgegangen wären; der Vater hielt das für unpassend, obgleich Michail schon fast 17, Fjodor fast 16 Jahre alt war. Aus dem Pensionat wurden sie immer mit dem Wagen abgeholt und ebenso wieder dorthin gebracht. Unsere Eltern waren keineswegs geizig – eher sogar freigebig –, aber es galt offenbar nach damaligen Begriffen für unpassend, daß Jünglinge ihr eigenes Taschengeld hatten, und wenn es auch noch so wenig gewesen wäre. Ich erinnere mich nicht, daß meine Brüder auch nur etwas Kleingeld zu ihrer Verfügung gehabt hätten; wahrscheinlich lernten sie erst in Petersburg den Wert des Geldes kennen, als der Vater sie dort allein zurückließ. Ich habe bereits erwähnt, daß der Vater es nicht liebte, uns Moral zu predigen, aber wie mir jetzt scheint, hatte er in der Beziehung doch eine kleine Schwäche: er wiederholte nämlich ziemlich oft, daß er arm sei, daß seine Kinder, besonders die Söhne, sich darauf vorbereiten müßten, sich selbst ihren Weg zu bahnen, daß sie nach seinem Tode mittellos dastehen würden, und dergleichen mehr. All das zeichnete ein düsteres Bild! – Ich erinnere mich auch noch anderer Worte meines Vaters, die gleichfalls keine Predigt, sondern eher eine Warnung waren. Wie ich schon gesagt habe, war Fjodor überaus hitzig; seine Überzeugungen verteidigte er stets mit großer Heftigkeit, und überhaupt war er in seinen Äußerungen sehr scharf. In solchen Fällen hörte ich den Vater oft sagen: ›Ei, Fedjä‹, zügele dich, nimm dich in Acht, so kannst du noch übel anlaufen ... wirst noch unter die rote Mütze kommend« (d. h. zum gemeinen Soldaten degradiert werden).
    »Unser Priester am Krankenhause hatte zwei schon erwachsene Söhne, die nach ihrer Rückkehr aus dem Auslande auch unseren Eltern ihren Besuch machten. Sie hatten sich als Studenten besonders ausgezeichnet und die Reise ins Ausland auf Staatskosten gemacht; sie sind später bekannte Professoren der Rechtswissenschaft geworden. Damals sagte unser Vater oft genug: Wenn doch auch ich es noch erleben würde, daß meine Söhne sich so auszeichneten!
    »Zum Schluß möchte ich noch wiedergeben, welcher Meinung mein Bruder Fjodor Michailowitsch von unseren Eltern war. Er äußerte sie vor nicht langer Zeit – Ende der siebziger Jahre. Ich kam auf unsere Kindheit zu sprechen und erwähnte den Vater. Da ergriff mein Bruder plötzlich lebhaft meinen Arm oberhalb des Ellenbogens (das war so seine Angewohnheit, wenn er beim Sprechen seine Seele zu öffnen begann) und sagte mit Inbrunst: 'Ja, weißt du auch, Bruder, das waren doch die vorbildlichsten Menschen, die Fortgeschrittensten, ja, selbst heute noch wären sie die Fortgeschrittensten! ... Und solche Mustereltern, solche Väter könnten wir, Bruder, nie sein!'
    »Im Herbst des Jahres 1836 erkrankte unsere Mutter. Die Zeit ihrer Krankheit war die traurigste unserer Kindheit. Sie wurde von vielen und sogar berühmten Ärzten behandelt, die alle ihrem Kollegen bereitwilligst beistanden, aber der Ausgang der Krankheit war unvermeidlich, und so verloren wir denn unsere Mutter am 27. Februar 1837.
    »Nach ihrem Tode begann der Vater ernsthaft daran zu denken, seine beiden ältesten Söhne nach Petersburg zu bringen (wo er selbst noch nie gewesen war), um sie dort in die Ingenieurschule zu geben. Übrigens hatte er schon viel früher durch den Chefarzt des

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