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Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
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instinktive Absonderung um jeden Preis, da man seine Seele retten will, eine Absonderung mit Ekel vor uns und Entsetzen. Diese Millionen von Menschen, die von dem Feste der Menschheit ausgeschlossen und verjagt worden sind, die nun in unterirdischer Finsternis einander stoßen und drücken, in dieser Finsternis, in die sie von ihren älteren Brüdern geworfen wurden und in der sie nun tastend nach einem Ausgang suchen und an jede erste beste Tür pochen, um in dem dunklen Kellergewölbe nicht zu verrecken. Es ist das der letzte verzweifelte Versuch, sich zu einem eigenen Haufen zusammenzuschließen, zu einer eigenen Masse, und sich von allem abzusondern, sei es selbst vom Menschenbilde, um nur ja von eigener Art zu sein, nur ja nichts mit uns gemein zu haben ...
    Ich sah in London auch noch eine andere ähnliche Menschenmenge von einer Größe, wie man sie gleichfalls nirgendwo, außer in London, sehen kann. Gleichfalls eine Dekoration in ihrer Art. Wer in London gewesen ist, hat gewiß wenigstens einmal Hay-Market in der Nacht besucht. Das ist ein Stadtteil, in dem nachts die öffentlichen Frauen zu Tausenden sich umherdrängen, besonders in gewissen Straßen. Die Straßen sind von Gasflammen erhellt, von einem Licht, von dem man bei uns in Rußland noch gar keine Vorstellung hat. Hier reiht sich ein prunkvolles Café ans andere, Cafés mit Riesenspiegeln und goldstrotzenden Verzierungen. Hier gibt es Festsäle, hier gibt es Absteigequartiere. Es schaudert einen geradezu, wenn man sich unter diese Menge begibt. Und wie sonderbar ist sie zusammengesetzt. Da gibt es Greisinnen und junge Schönheiten, vor deren Schönheit man betroffen stehen bleibt. In der ganzen Welt gibt es keinen so schönen Frauentyp wie die Engländerinnen. Alles das drängt sich mit Mühe durch die Straßen, geengt, gedrängt. Die Fußsteige reichen natürlich nicht aus, der ganze Fahrweg ist von der Menge überflutet. Alles das giert nach Beute und wirft sich mit schamlosem Zynismus auf den ersten Besten. In dieser Menge gibt es glänzende kostbare Gewänder und neben ihnen sieht man fast Lumpen. Man sieht hier auch alle Lebensalter in schrillstem Gegensatz nebeneinander, alles in einer einzigen Masse. In diesem schrecklichen Menschenhaufen stößt sich der betrunkene Strolch umher und hierher kommt auch der reiche Herr mit hohen Titeln. Man hört Schimpfworte, Streit, laute Aufforderungen, hier oder dort einzutreten, und dazwischen das versuchende Geflüster einer noch schüchternen jungen Schönheit. Und was sind das mitunter für Schönheiten! Gesichter wie von einem Keepsake. Ich weiß noch, einmal trat ich in ein »Kasino«. Dort spielte Musik, es wurde getanzt, es wimmelte von Menschen. Die Aufmachung war voll Prunk und Pracht. Aber der finstere Charakter verläßt die Engländer auch im Vergnügen nicht: selbst beim Tanzen sind sie ernst, ja sogar verdrossen, und machen die Tanzschritte, als müßten sie einer Pflicht nachkommen. Dort erblickte ich oben auf der Galerie ein Mädchen, vor dem ich einfach stehen blieb vor Verwunderung: eine so ideale Schönheit war mir noch nie begegnet. Sie saß an einem der Tischchen mit einem jungen Mann, anscheinend einem reichen Gentleman, der, wie aus allem zu ersehen war, nicht zu den ständigen Gästen dieses Kasinos gehörte. Vielleicht hatte er sie überall vergeblich gesucht und schließlich hier gefunden. Oder vielleicht hatten sie verabredet, sich hier zu treffen. Er sprach wenig mit ihr, dabei alles seltsam stoßweise und gleichsam gar nicht davon, wovon sie eigentlich sprechen wollten. Ihr Gespräch wurde oft von langem Schweigen unterbrochen. Sie schien sehr traurig zu sein. Ihre Züge waren zart, fein, etwas Verschwiegenes und Trauriges lag in ihrem schönen, ein wenig stolzen Blick, etwas Denkendes und Schwermütiges. Ich glaube, sie war schwindsüchtig. Sie stand in ihrer Entwicklung höher, sie mußte einfach höher stehen als alle diese unglücklichen Frauen – denn was hätte sonst ein Menschenantlitz zu bedeuten? Und dabei saß sie doch hier unter den anderen und trank gleichfalls diesen Gin, den der junge Mann für sie bezahlte. Schließlich stand er auf, drückte ihr die Hand und sie trennten sich. Er verließ das Kasino, sie aber ging, vom Branntweingenuß feuerrote Flecken auf ihren blassen Wangen, und mischte sich unter die Schar der sich feilbietenden Frauen. Dort in Hay-Market habe ich Mütter gesehen, die ihre eigenen kleinen Töchter zu diesem Gewerbe anleiteten. Und diese

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