Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Werke von Fjodor Dostojewski (Illustrierte) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor Dostojewski
Vom Netzwerk:
erwähnt. Die Kinder aus diesen Ehen beginnen oft schon im frühesten Alter ein Straßenleben, mischen sich unter die Menge und kehren schließlich überhaupt nicht mehr zu ihren Eltern zurück. – Die anglikanischen Pfarrer und Bischöfe sind stolz und reich, leben in reichen Pfarreien und werden dick in vollkommenster Gewissensruhe. Sie sind große Pedanten, sind sehr gebildet und glauben selber wichtig und in allem Ernst an ihre stumpfsinnig-moralische Würde, an ihr Recht, ruhige und selbstgerechte Moral zu predigen, fett zu werden und nur für die Reichen da zu sein. Das ist die Religion der Reichen und zwar schon ohne jede Maske. Nun, wenigstens ist's so – rationell und es wird nichts vorgetäuscht. Aber diese selben bis zur Stumpfheit überzeugten Professoren der Religion haben eine Liebhaberei von eigener Art: das ist die Mission. Sie durchziehen als Missionare die ganze Welt, sie dringen ins innerste Afrika, um einen Wilden zu bekehren, und vergessen darüber eine Million Wilder in London, weil diese nichts besitzen, womit sie zahlen könnten. Doch die reichen Engländer und überhaupt alle dortigen goldenen Ochsen sind überaus religiös, sind es auf eine finstere, mißmutige und eigentümliche Art. Die englischen Dichter aber besingen von jeher mit Vorliebe die Schönheit der Pfarrhäuser in der Provinz, die im Schatten hundertjähriger Eichen und Weiden stehen, besingen ihre tugendhaften Frauen und idealschönen blonden, blauäugigen Töchter.
    Doch wenn die Nacht vergeht und der Tag beginnt, erhebt sich jener stolze finstere Geist von neuem herrscherhaft über der Riesenstadt. Der regt sich nicht darüber auf, was in der Nacht war, ihn stört auch das nicht, was er am Tage ringsum sieht. Baal herrscht und verlangt nicht einmal Unterwerfung, denn er ist ihrer auch so schon sicher. Sein Glaube an sich selbst ist grenzenlos; ruhig und mit Verachtung gibt er, nur um sich's vom Halse zu schaffen, organisierte Almosen und danach ist sein Selbstgefühl nicht mehr zu erschüttern. Baal versteckt auch nicht vor sich selbst, wie man das z. B. in Paris tut, gewisse ungezähmte, verdächtige und erregende Lebenserscheinungen. Armut, Leid, Murren und die Abstumpfung der Masse regen ihn nicht im geringsten auf. Voll Verachtung erlaubt er allen diesen verdächtigen, unheilkündenden Erscheinungen Seite an Seite neben seinem Leben als Wirklichkeit sichtbar zu bestehen. Er gibt sich keine Mühe, sich ängstlich, wie der Pariser, und krampfhaft zu beruhigen, zu ermutigen und sich selbst die Meldung zu erstatten, daß alles ruhig und in Ordnung sei. Er versteckt nicht, wie man das in Paris tut, die Armen irgendwohin, wo man sie nicht sieht, damit sie nicht unnütz seinen Schlaf beunruhigen. Der Pariser liebt es, wie der Vogel Strauß, seinen Kopf in den Sand zu stecken, um die Jäger, die ihm schon auf den Fersen sind, einfach nicht zu sehen. In Paris ... Aber was ist denn das? Ich bin schon wieder nicht in Paris! ... Herrgott, wann werde ich mich denn endlich an Ordnung gewöhnen ...

Sechstes Kapitel: Ein Versuch über den Bourgeois
     
    Warum kauert sich hier alles das so zusammen, warum will sich hier alles in Scheidemünze einwechseln, sich einengen, sich drücken: »Ich bin gar nicht da, ich bin überhaupt nicht auf der Welt, ich habe mich versteckt, gehen Sie, bitte, vorüber und bemerken Sie mich nicht, tun Sie, als sähen Sie mich nicht, gehen Sie, ach gehen Sie doch vorüber!«
    »Ja von wem reden Sie eigentlich? Wer kauert sich zusammen?«
    »Na, der Bourgeois doch.« »Ums Himmels willen, der ist doch König, ist überhaupt alles, le tiers état c'est tout , und Sie reden von – sich verstecken!«
    »Ja, aber warum versteckt er sich denn so hinter dem Kaiser Napoleon? Warum hat er denn in seiner Abgeordnetenkammer die hohen Phrasen vergessen, die er früher so liebte? Warum will er sich an nichts erinnern und warum winkt er mit beiden Händen ab, wenn man ihn an irgend etwas, das in alten Zeiten war, erinnert? Warum ist bei ihm im Sinn und Blick und auf der Zunge sogleich Alarm, wenn andere in seiner Gegenwart noch irgend einen Zukunftswunsch zu äußern wagen? Und wenn er selber einmal aus reiner Einfalt übermütig wird und plötzlich auch in sich noch einen Wunsch verspürt, warum erschrickt er dann gleich und bekreuzigt sich, um den Einfluß des Bösen zu bannen: »Herrgott, was hab ich da ... was fällt mir überhaupt ein!« und warum bemüht er sich darnach noch lange, sein törichtes Benehmen durch

Weitere Kostenlose Bücher