Werke
ich laufe zur Stadt und bringe einen Arzt; er könnte nötig sein!«
Noch eine kurze, eindringliche Anweisung über die zunächst von der Alten vorzunehmenden Dinge, dann eilte er fort; nicht einmal den Namen des Mädchens hatte er erfahren.
Einige Minuten später lag drinnen im Schuppen die zarte Gestalt in ihrer ganzen Hülflosigkeit auf dem Ruhebette, bis zur Brust von dem roten Umschlagetuch der Alten zugedeckt. Zitternd, ihr lautes Schluchzen gewaltsam niederkämpfend, stand diese vor ihr; sie hatte eben ein Leintuch genommen und schickte sich an, mit dem jungen Körper alles vorzunehmen, was ihr von dem einen wie dann auch von dem andern der beiden Männer eingeschärft worden war. Nur noch einmal bückte sie sich, um ihrem Liebling ins Gesicht zu sehen.
– »Kathi!« –
Die jungen Lippen hatten es gerufen, und die jungen Augen blickten sie voll und lebenskräftig an. »Kathi, ich bin ja nicht ertrunken!«
Die Alte stürzte vor ihr nieder und bedeckte unter hervorströmenden Tränen die Hände, die Brust, die Wangen des Kindes mit ihren Küssen. »Ach Frölen, Herzenskindchen, was haben Sie uns für Angst gemacht! Wenn nun der liebe junge Herr nicht gewesen wäre! Und ich räsonierte, ich alte Einfalt, als ich ihn auf dem Deich herauskommen sah!«
Das Mädchen streckte mit einer jähen Bewegung ihr die Hand entgegen. »Um Gottes willen, Kathi, schweig! Ich will seinen Namen nicht wissen, nie!«
»Frölen, ich weiß ihn ja selber nicht; ich hab den jungen Herrn ja nimmer noch gesehen; er muß wohl nicht von hier sein.«
Die junge Gestalt richtete sich auf und starrte düster vor sich hin, indem sie den Kopf in ihre Hand stützte. »Kathi«, sagte sie, »Kathi – ich wollte, er wäre tot.«
»Kind, Kind!« rief die Alte, »versündige dich nicht! – Ach, Frölen, der gute junge Mann; er hat ja doch auch sein Leben um Sie gewagt!«
»Sein Leben! Wirklich, sein Leben? – Ach, ich habe nicht daran gedacht!«
»Nun, Frölen, hätten Sie nicht beide da versinken können?«
»Beide! Wir beide!« – – Und sie schloß wie im Traum die Augen; aber dennoch sah sie ein schönes blasses Jünglingsantlitz, das in Angst und Zärtlichkeit auf sie herniederblickte.
Die Alte hatte wieder das Tuch genommen und begann ihr das lange feuchte Haar zu trocknen; mitunter strich sie leise mit ihrer harten Hand über die weiße Stirn des Mädchens.
»Kathi«, begann diese wieder, »nein, nicht er, aber ich! – Oh, meine arme Mutter!« Und dabei drängte sich eine Träne nach der anderen durch die geschlossenen Wimpern. »Kathi! Ich kann ihm nicht danken! Nie, niemals! Oh, wie unglücklich bin ich!«
»Nun«, meinte Kathi begütigend, »Sie brauchen das ja auch nicht zu tun, Frölen; Mama wird das ja alles schon besorgen.«
»Mama!« rief das Mädchen.
»Mein Gott, Frölen, hat Sie das erschreckt?«
Aber das Kind saß da, die nackten Arme vor sich hingestreckt, in ihrer hülflosen Schönheit selbst für die Augen des armen alten Weibes ein bezaubernder Anblick. »Mama!« rief sie abermals. »Ja, ja, Kathi, die würde es tun; und wenn ich sie noch so viel bäte, sie würde es dennoch tun. – Kathi, sie darf es nie erfahren; versprich es mir, schwöre es mir, Kathi!« Sie hatte die Arme um den Hals der alten Frau gelegt, die neben ihr niedergekniet war.
»Ja, ja, Frölen, wenn Sie nur ruhig werden, ich will schweigen wie das Grab.«
»Nein, Kathi, schwöre es mir ordentlich! Sage: Bei Gott! daß du schweigen willst!«
»Nun, Frölen: bei Gott! – Es hätt’s auch ohne dies getan.«
»Ich danke dir, alte Kathi! Aber es war noch einer da. – War es nicht – –?«
»Ja, Frölen, es war – –«
»Nein, nein, nicht seinen Namen, Kathi!« Und sie verschloß den Mund der Alten mit ihrer kleinen kalten Hand. »Sage nur, hat er mich erkannt, kann er mich erkannt haben?«
»Ich glaube nicht, Frölen. Als Sie auf den Deich gegangen kamen, war er mit dem andern drüben auf dem Floß. Nachher war er zu weit entfernt; auch ist er gleich zur Stadt zurückgegangen.«
Das Mädchen nickte und legte sich, wie um auszuruhen, auf das harte Kissen der Ruhebank zurück, die Hände hinten um den Kopf gefaltet.
Die Alte war aufgestanden. »Ich komme gleich zurück«, sagte sie; »ich geh nur, um dem anderen Herrn zu sagen, daß das Frölen munter ist und daß wir keinen Doktor brauchen.«
»Aber vergiß nicht, Kathi!«
»Nicht doch, Frölen; ich hab es ja geschworen.«
– – Als die Alte nach einiger Zeit zurückkam,
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