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Werke

Werke

Titel: Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Storm
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die bei den heftigen Worten auf ihn zugeflogen war, taumelte mit blutender Stirn an seine Brust.
    Der junge Vagabund, eine breite muskulöse Gestalt, war hinter seinem Tische aufgesprungen. Er hatte die Faust, aus der er die Geige fallen ließ, schon dräuend über seinen Kopf erhoben; aber es kam nicht soweit, er schien sich zu besinnen, der Handel mochte ihm doch bedenklich scheinen. »Mag der Herr die Mamsell behalten, wenn sie sonst noch zu kurieren ist«, rief er höhnend; »es laufen der Dirnen noch genug herum!«
     
    Das leicht rieselnde jungfräuliche Blut hatte indessen die Sache schlimmer erscheinen lassen, als sie war. Die kleine Streifwunde hatte keine Bedeutung, und auch der Schrecken war bald überwunden; für den Doktor aber erschien nun die Pflicht, sich der Verlassenen anzunehmen, nur um so deutlicher; und schon am andern Nachmittage langten beide wohlbehalten vor der »Wald- und Wasserfreude« an.
    Die dicke Magd, welche als perfekte Köchin aus dem früheren Wohnorte mit herübergenommen war, schlug die Hände über dem Kopf zusammen, da sie ihren alten Primaner so plötzlich mit ihrer verschwundenen Mamsell aus einem Wagen steigen sah. Übrigens enthielt sie sich aller unnützen Reden, und als der Doktor nach dem Hausherrn frug, streckte sie die Hand nach der Flußseite und sagte: »Ich bin bloß für die Küche; aber gehen Sie nur dreist hinunter!«
    Und wirklich, hier stand Herr Zippel barfuß bis an die Knie im Wasser, und um ihn her eine Schar von Arbeitern, welche Pfähle in den Flußgrund rammten. Sein Haar flog im Winde, und Kätti, die hinter ihrem Beschützer herschlich, spähte voll Angst, ob es – wie ihr Vater einstens prophezeit hatte – vor Kummer über sie nicht schon schneeweiß geworden sei. Aber er sah nicht anders aus, als da sie fortgegangen war. Dagegen schien der Augenblick nicht eben angetan, um eine besondere Erregung des Wiedersehens in Herrn Zippels Herzen zu erwecken. Erst als der Doktor ihn wiederholt mit lautem Ruf begrüßt hatte, kam er an das Ufer gewatet, nachdem er noch zweimal seinen Arbeitern einen Befehl zurückgerufen und ihn dann zum dritten Male widerrufen hatte.
    Er erkannte sogleich seinen alten Mietsmann und machte ihm einige rasch hervorgestoßene Komplimente über seine stattlichere Gestalt und seinen Backenbart; dann aber, zur Hauptsache kommend, beschrieb er mit ausgespreizten Fingern einen Halbkreis nach dem Lande zu. »Das hier«, sagte er, »wenn Sie es früher gesehen haben, Sie werden es nicht wiedererkennen! Nun wollen wir dem Fluß noch seine Ehre tun! Dort sehen Sie die Böte; hier entsteht das neue Bad; in all den tausend Jahren ist das keinem eingefallen! Das reine Wald- und Wiesenwasser, das Entzücken aller Ärzte auf zehn Meilen in der Runde!«
    In diesem Augenblicke erst bemerkte er seine Tochter, welche ein paar Schritte seitwärts stand. »Kätti! Rosalie! Beim Himmel, die Rosalie!« rief er und schleuderte beide Arme in die Luft. »Herr Fedders«, wandte er sich an diesen, »haben Sie meine Aufrufe in den Blättern gelesen? Die Dummheit hat mir einen Haufen Geld gekostet!« – Aber damit schien auch die Sache abgetan; das von dem Mädchen so sehr gefürchtete Wiedersehen ging nach einigen weiteren Ausrufungen wie ein beiläufiges Zwischenspiel in dem großen Werke des Wald- und Wiesenwasserbades beinahe unbemerkt vorüber.
    Erst nach Stunden, da er zufällig ins Haus hinaufgelaufen kam, frug Herr Zippel seine Tochter, ob sie denn mit dem Primaner Fedders – »Doktor«, sagte Kätti –, also dem Doktor Fedders heimgereist sei und ob sie unterwegs wohl ein so wundersam belegenes Bad gesehen habe, als dieses bisher unbekannte Dorf ihm jetzt verdanken werde. »Wenn wir nur auch den Sträkelstrakel wiederhätten!« setzte er hinzu. »Ich hab es ausprobiert; die Badenden werden es im Wasser hören können, wenn ihr hier oben musiziert!«
    »Sträkelstrakel!« rief Kätti. »Was ist mit dem?«
    Herr Zippel lachte. »Als die Gitarre fort war, ist die Violine hinterdrein gelaufen; er war ohne dich doch auch nur eine magere Verzierung für die Wald- und Wasserfreude!«
    Kätti sprang voll Schrecken von ihrem Stuhle auf. »Er ist fort? und noch nicht wieder da?«
    »Nein, noch nicht. Aber, der Tausend, ich muß nach meinen Leuten sehen!«
     
    Dem Doktor, welcher sich entschlossen hatte, hier seine Sommerfrische zu genießen, waren in dem unten am Flußufer belegenen Abnahmehause ein paar Zimmer eingeräumt, in denen für die künftigen

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