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Wernievergibt

Wernievergibt

Titel: Wernievergibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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lediglich mit den Achseln zuckte. Kurz darauf führte Kawsadse uns auf den Gang hinaus. »Sie hören von uns. Vielen Dank für Ihren Besuch. Übrigens: Meine Cousine ist in Deutschland verheiratet. In Gelsenkirchen. Kennen Sie Gelsenkirchen?«
    Ich verschwieg, dass ich es kannte und furchtbar fand. Uns gegenüber auf einer Sitzgruppe saß ein junger Mann, der sichtlich nervös an einer Aktenmappe zupfte. Auch seine Augen blickten traurig. Das Haar war zu dünn für einen Mann seines Alters. Er trug einen Anzug.
    Kawsadse drückte uns der Reihe nach die Hand. Sein Blick ruhte eindeutig länger auf Juliane als auf mir. Ich musste dringend was für mein Outfit tun. In einem Land, in dem die Frauen glitzernd wie Libellen einherschwebten, stapfte ich herum wie ein Guerillakämpfer, der nach mehreren Jahren im Dschungel noch keine Zeit gefunden hatte, sich zu duschen. »Clara Cleveland wird in Georgien sehr geschätzt. Wir freuen uns, dass sie in München nun so viel Erfolg hat«, übersetzte Sopo Kawsadses Abschiedsworte.

23
    Sopo führte uns über eine mehrspurige Avenue in den Stadtteil Saburtalo.
    »Ein Modegeschäft nach dem anderen«, kommentierte ich müde. Der Lärm war schauerlich. Vor den Boutiquen hockten die Verlorenen und bettelten. Ein Junge schlief auf einer Decke vor einem Schaufenster. Eine Pappschachtel vor seiner Nase bat um milde Gaben. Wer noch auf sich hielt, verkaufte dicke Fliedersträuße und Ringelblumen. Die Wärme wurde beinahe unerträglich. Der Abgasgestank verätzte meine Kehle. Die ständigen Wetterwechsel überforderten mich.
    »Nafnaf, Benetton, Tom Tailor. All die bekannten Marken. Wer kann sich das leisten?«, fragte ich.
    »Wir georgischen Frauen legen sehr viel Wert auf unser Aussehen«, erklärte Sopo. »Bei Ihnen denkt man eher, Sie legen Wert auf Bequemlichkeit.«
    Das saß. Ich sah Juliane an, sie grinste: »Los, Kea, kauf dir was Schnuckeliges. Man verachtet uns hier. Hält uns für modische Kulturbremsen.«
    »Nein, ganz und gar nicht«, rief Sopo erschrocken. »Ich wollte sagen, ich bewundere diese Einstellung. Bequeme Kleidung ist … aber ich … wir …«
    »Auf geht’s!«, bestimmte Juliane und schob uns in den nächstbesten Klamottenladen.
     
    Eine gute Stunde später befanden sich ein Paar Sandaletten mit Absatz und zwei leichte Kleider in meinem Besitz, außerdem eine Bluse und eine Hose aus Leinen. Ich ging ungern Klamotten einkaufen. Bei meiner Figur war es alles andere als ein Vergnügen, sich in engen Kabinen in pervers geschnittene Sachen zu quetschen.
    Sopo allerdings erwies sich als perfekte Beraterin. Ohne lange zu fackeln, hatte sie von den Ständern die Modelle genommen, die mir passten. Dabei hatten sie und mehrere Verkäuferinnen ohne Unterlass geredet.
    »Ich habe Hunger«, stöhnte Juliane, als wir wieder auf dem Asphalt standen. »Lasst uns irgendwo was essen gehen. Und dann schauen wir mal.«
    »Darf ich Ihnen ein Restaurant empfehlen?«
    Ein junger Mann im Anzug stand neben uns wie aus dem Boden gewachsen. Sopo quiekte vor Schreck. Er sprach deutsch.
    »Habe ich Sie nicht vorhin auf dem Polizeirevier gesehen?«, fragte ich zweifelnd mit Blick auf sein schütteres Haar.
    »Haben Sie. Bitte, lassen Sie uns nicht hier reden. Weiter oben, fast am Ende der Pekinistraße ist ein gutes Restaurant. Das ›Steinhaus‹.« Er sah sich rasch um und fügte hinzu: »Es ist dringend.«
    Wir trabten ihm nach wie die Schafe.
    »Wer ist das?«, raunte Juliane mir zu.
    »Irgendein Typ.«
    »Ach nee.«
    Ich lachte. »Mehr weiß ich auch nicht. Er saß vorhin im Polizeirevier mit seiner Aktentasche auf dem Gang. Als wir aus Kawsadses Büro kamen. Schien nervös.«
    »Das ist er jetzt auch noch«, erwiderte Juliane trocken. »Ich brauche dringend so eine Sonnenbrille wie unsere Sopo. Damit mir keiner ansieht, was ich momentan denke.«
    »Was denkst du denn?«
    Juliane hüllte sich in Schweigen.
     
    Ein paar Minuten später betraten wir das Restaurant ›Stone House‹. Es lag im Souterrain, war fensterlos, und seine Wände bestanden hauptsächlich aus runden, ungeschliffenen Steinen, die direkt auf den Zement geklebt waren. Unser Begleiter grüßte die Kellner, die an der Theke standen und erfreut lächelten. Wir waren die einzigen Gäste.
    »Hier ist es kühl. Und man kann nicht beobachtet werden.« Er wies auf einen Tisch. »Setzen wir uns.«
    Die Tische waren aus rohem, massivem Holz. Das richtige Möbel für ein bayerisches Wirtshaus, dachte ich. Solche Tische

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