Wernievergibt
fährt aber nach Sameba zurück.«
Ich täuschte mich. Die Kirche links liegen lassend, steuerte der Fahrer sein Taxi immer höher den Hang über dem Fluss hinauf, bis er vor einer Böschung anhielt, auf der sich ein unscheinbares, flaches Gebäude erstreckte. »Restaurant«, sagte er auf Englisch.
Etwas weiter links gaffte uns eine Betonwand an: Sheraton Metechi Hotel.
»Meint er das Sheraton?«, fragte ich ungläubig.
»Nein. Er meint das hier.« Juliane deutete auf das flache Haus. »Nun steig schon aus.«
»Yes, restaurant.« Der Fahrer nickte und lachte. Der rechte Schneidezahn fehlte. »In the shadow of Metechi. Very good restaurant.«
Eine Minute später ließen wir uns auf einer Panoramaterrasse nieder, die sich mindestens 20 Meter auf dem Plateau der senkrecht zum Mtkwari abfallenden Felsen lang zog. Das ganze alte Tbilissi lag unter uns. Als erwarte es unseren respektvoll huldigenden Gruß.
29
Guga hatte nicht viel getrunken, aber er wusste, er sollte nicht mehr fahren. Irakli war schon jenseits von Gut und Böse. Er badete im Schnaps bei jeder sich bietenden Gelegenheit, und Irakli wusste Gelegenheiten herbeizuzaubern. Ein Sohn war natürlich der beste Anlass! Der Kleine war bezaubernd. Er besaß lange, dunkle Wimpern und schlief ungestört, während sein Vater ihn herumreichte.
Partys wie diese waren eine Geduldsprobe für Guga. Er war nicht verheiratet. Er hatte kein Kind. Wenigstens eins musste er doch zustande bringen. Nur wanderten seine Gedanken heute Abend zu anderen Aufgaben. Kurz streifte sein Sinn die schicke Dolmetscherin. Sopo. Ab und zu, nur für den Hauch einer Sekunde, streifte ihn der Gedanke, dass sich sein Leben mit der Lösung dieses Falles ändern würde.
Guga verabschiedete sich so bald wie möglich von der Party und nahm gutmütig den Spott mit. Er war der letzte in der Runde, der keine Familie hatte.
Zuerst fuhr er aufs Revier zurück, um sich mit den Telefonlisten zu befassen. Draußen zog Regen auf. Der Strom fiel aus, und er zündete die Öllampe an. Nach wenigen Minuten kam der Strom zurück. Die Deckenlampe flackerte ein paar Mal, bis die Spannung sich stabilisiert hatte.
Guga rief bei der Telefongesellschaft an. Obwohl er keine Handhabe besaß, konnte er eine formlose Anfrage über den kleinen Dienstweg wagen. Zur Not würde er seinen Schwager um Hilfe bitten. Er war Abteilungsleiter dort.
Als nächstes schrieb er die Adressen der Tierärzte in der Reihenfolge auf, in der er sie aufsuchen würde, gleich heute Abend. Der am nächsten wohnende käme zuerst dran. Dann die Frau. Dann der Alte.
Guga machte sich auf den Weg.
Der erste Tierarzt hieß David, hatte gerade einem Kalb auf die Welt geholfen und wusste nicht, wovon Guga sprach. Er hätte noch nie einen Menschen behandelt. Guga glaubte ihm kein Wort. Ihm selbst hatte, als er ein Kind war, ein Veterinär einen vereiterten Zehennagel operiert. Mit Erfolg.
Clara Cleveland war dem Mann kein Begriff. Er betriebe einen Hof, besäße einen Weinberg, hätte drei Kinder im schwierigen Alter, und seine Frau sei mit der Pflege ihrer Mutter befasst. Er käme kaum rum mit der Arbeit.
Guga verabschiedete sich.
Der Regen hatte aufgehört, das Licht der Abendsonne floss über die grünen Berge. Guga fuhr zur nächsten Adresse. Eine Tierärztin, eine Frau. Er erwartete eine breit gebaute Person, Typ Landarbeiterin,wie in alten Propagandafilmen, und staunte, als er durch das geöffnete Tor auf ihr Anwesen fuhr und eine zierliche Frau sah, die mit einem Kaukasischen Schäferhund Bei-Fuß-Gehen übte. Sie lachte, wahrscheinlich war ihr Verblüffung dieser Art nicht unbekannt.
»Guga Gelaschwili«, stellte Guga sich vor.
»Ich bin Marika. Haben Sie einen Kater dabei?«
»Einen Kater?«
»Zum Kastrieren.« Neugierig beugte sie sich durch das Beifahrerfenster in den Streifenwagen.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Ein Pferd kann es ja nicht sein.«
Guga schmunzelte. Marika war mehr als einen Kopf kleiner als er. Ihr Haar glänzte im Abendlicht wie Mahagoni. Sie hatte grüne Augen und einen Mund, der ein Herz bildete, wenn sie lächelte. Guga fiel eine Narbe auf, die sich fast waagerecht über ihre Stirn zog.
»Kennen Sie Clara Cleveland?«, fragte er unvermittelt. Ihm war der Gedanke gekommen, dass es nicht clever war zu fragen, ob Marika ab und zu Menschen als Patienten hatte.
»Ich habe sogar eine CD von ihr.«
Wenn sie sie behandelt hat, dann hat sie sie nicht erkannt, schloss Guga.
»Was haben Sie am 30. März
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