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Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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daß ihrAlberten gegebenesVersprechen mehr Bürde als Neigung bedeutet. Mich liebt! – tausendmal könnt ich es dem Papier anvertrauen – mich, mich liebt!
    Und wie wert ich mir selbst mit eins werde, nachdem ich die längste Zeit mich der Selbstzerfleischung, der Selbsterniedrigung hingegeben, wie ich – Dir darf ich’s sagen, Du hast Sinn für so etwas – wie ich mich nun selbst anbete, da ich ahne, hoffe, daß sie mich liebt! Ist dasVermessenheit oder die gefühlte Einsicht in unser wahres, tiefinnerlichesVerhältnis?Wenn sie nämlich dann von ihrem Bräutigam spricht, mit solcherWärme, solcher Liebe von ihm spricht, stürzt sie mich erneut in taumelnde Zweifel, mir ist’s wie einem, der aller Ehre undWürden entsetzt und dem der Degen genommen wird.
    Aber ach! wie’s mir durch alleAdern läuft, wenn mein Finger unversehens den ihrigen berührt, wenn unsere Füße sich unter demTisch begegnen! Ich zucke zurück wie vom Feuer, eine geheime Kraft zieht mich wieder vorwärts, bis es erneut geschieht – mir wird’s schwindlig vor allen Sinnen. Dabei bin ich nicht sicher, ob ihre Unschuld, ihre unbefangne Seele fühlt, wie sehr mich die kleinenVertraulichkeiten peinigen: sie muß es fühlen,Wilhelm, ist kein Kind mehr, spürt gewiß, daß sie im Begriff ist,Türen aufzustoßen, hinter denenAbgründe lauern.
    Wenn sie so im Gespräch ihre Hand auf die meinige legt und scheinbar im Interesse der Unterredung näher zu mir rückt, daß der himmlischeAtem ihres Mundes meine Lippen erreicht, glaube ich zu versinken, wie vomWetter gerührt! Bin kurz davor zuzupacken, wie ich das Reh gepackt, gerissen, zugleich ängstige ich mich davor, daß, wenn ich mich jemals unterstehe, dies himmlischeVertrauen zu mißbrauchen! – Du verstehst mich, nein, mein Herz ist so verderbt nicht, hundertmal mag mir die düstere Prophezeiung des Grafen zu Sinn kommen, glaub ich es doch nicht, weiß, daß ich stark sein, Lotten nicht enttäuschen werde, so verderbt bin ich noch lange nicht, nur schwach! schwach genug, es zu wünschen, wild zu ersehnen. Ist das derVerderbtheit nicht genug?
    Sie ist mir heilig.Alle Begier heiße ich in ihrer Gegenwart schweigen, und kann doch nie vorhersehen, wie mir wird, wenn ich bei ihr. Unter der Oberfläche unserer Höflichkeiten lauert’s, will hervorbrechen, als wenn meine wahre Seele sich mir in allen Nerven umkehren wollte. In mir sitzt ihr ein junger Mann gegenüber, zugleich sitzt da die Bestie, ich kann sie fletschen hören, rieche die Pestilenz ihres wollüstigenAtems. Dann jedoch – es wird Dich staunen machen – geschieht dasWunder, das mit dem ungestimmten Klavier einhergeht. Lotte hat eine Melodie, die sie auf dem Klaviere spielt, mit der Kraft eines Engels, so simpel und geistvoll. Es ist ihr Leiblied, und mich befreit es, heilt mich von aller Pein undVerwirrung, von allem tierischenWahn, wenn sie nur die erste Note davon greift. DasWort von der angeblichen Zauberkraft der Musik ist mir begreiflich, wenn ich das vernehme, Freund! das ist reine Magie, die das Gute, Lichte in mir zum Klingen bringt. Lottchen, wie sie sitzt, behutsam dieTasten bedienet, wie ihre zarte Stimme den Raum erfüllt, daß selbst derVater in der Ecke mit dem Schürhaken denTakt dazu klopft. Jetzt, zu Zeiten, wo ich nicht mehr weiß, wer, was, welches Unwesen ich bin, versteht sie, ihr Liedchen anzubringen und, da der Engel singt, liebster Bruder, zerstreut sich die Irrung und Finsternis meiner Seele, und ich atme in selbiger Minute frei. – –
    Eins noch, ein Unwichtiges. Deine Idee will nicht die meinige werden, bester Freund: daß ich mit dem Gesandten nach * * * gehen soll. Ich ertrage die Subordination nicht mehr und fasse es nicht, wieso ich mich je dazu bereit gefunden. Mein Sinn ist anderswo hingewandert,Wilhelm, in Diensten kann ich nicht stehen, in niemandes Diensten als in der Unterordnung des Gesetzes, das Lottchen errichtet. Du willst mich inAktivität sehen, sagst Du, das hat mich lachen gemacht. Bin ich nicht jetzt auch aktiv, zehntausendmal aktiver? Ist’s im Grund nicht erbärmlich, wie man für einAmt, für Geld oder Ehre Erbsen zählen muß?Alles in der gesittetenWelt läuft auf eine Lumperei hinaus, und ein Mensch, der sich um einesAmtes willen fürVorgesetzte abarbeitet, ohne daß es seine eigene Leidenschaft, sein eigenes Bedürfnis ist, der ist doch der lächerlichsteTor.

Am 8. Juni.
    Das war eine Nacht! Ich strich durch die Finsternis – und war es doch nicht! Ein anderer

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