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Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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endete damit, daß ich auf dem Rückweg meine enormen Kräfte schwinden spürte. Der Mond war verhangen, ich sah kaum, wohin es mich trieb. Irgendwann kam es mir unnatürlich bei, daß ich auf allen vieren springe, und als ich mir meine Pranken vorAugen führte, waren es wieder Menschenhände, dem felsigen Untergrund nicht gewachsen, auf zwei Beinen wollte ich weiterrennen, da zuckte ich vor Schmerzen zusammen. Mein rechtes Bein, Freund, ist von Blut überströmt, der Schuß des Försters hat gesessen und wohl ein großes Blutgefäß getroffen, ich stürze in moosiger Senke hin. Nun erleide ich die Schmerzen, die mich imWolfsgewand kaum geplagt, ich wimmere, presse die Hand auf meineWunde am Schenkelhals, wo es hervorquillt. – Gott! ich verblute, stöhn ich und habe mich in ein schwächliches Bündel Mensch rückverwandelt. Da ich den Kopf heb, leuchtet es milde, ist nicht mehr weit, ich nehme die letzte Kraft zusammen und schlepp mich meinem Hause zu.
    Wie ich des weiteren die Nacht zugebracht, was ich unternahm, die Blutung zu stillen, wie ich in einen fiebrigen Schlaf fiel, mag ich im Besonderen nicht ausführen – zu viel ist geschehen, zu viel muß wieder eingerichtet werden.Wilhelm! bete für mich, daß ich die Folgen der Nacht zu meistern Manns genug bin. So schließ ich, im Morgengrauen des kommendenTags.

Am 9. Juni.
    Den Vormittag über geschlafen. Die Kugel ist am Os femoris vorbeigegangen und etwa zehn Zentimeter unter der Articulatio coxae an der Hinterseite des Schenkels durch eine klaffende Wunde ausgetreten. Allein im Haus und keinen Medikus in der Nähe, habe ich mir vor Wochen schon einen guten heilsamen Kasten zusammengestellt, mit dessen Hilfe ich dem Wundbrand entgegenwirke, das Fleisch mit einer Klammer zusammenzwinge, bevor ich mich selbst verbinde. Ich tu es mit Ruhe, als sei der Spuk jener Nacht nicht die Verwirklichung der übelsten, zugleich unglaubhaftesten Voraussicht. Die Prophezeiung, die ich für Ausgeburt meiner Phantasie genommen, bewahrheitet sich, ich wandle mich in ein Tierwesen um und vermag mich in dem Zustand nicht zu kontrollieren, bringe Tod und Verheerung, ich bin ein Ungeheuer geworden. Doch wehklage ich nicht, rufe Gott nicht an oder füge dem wirklichen Zauber noch Hokuspokus hinzu, ich befinde mich merkwürdig gefasst, hinke zu Nero, meinem Wächter und Gefährten und rede so zu ihm.
    – Nero, sage ich, was keine Seele zu glauben vermöchte, ich glaub es nun. Durch deinen Biß bin ich verflucht und werde nach und nach vom Menschsein abgetrennt.Wenn du kein böser Geist bist, der mich zernichtet, wenn ein Sinn in dieserVerwandlung liegt, muß ich ihn augenblicks erfahren.Wissen muß ich, wohin es mich treibt, was Endzweck des Rasens undAußermirseins ist, warum dasTier in mir mächtiger werden soll als der Mensch, den ich in den Jahren meines Lebens geformt habe.
    Nero erhebt und streckt sich wie nach einem faul zugebrachtenWintertag und läuft trottend zurTür.
    – Hinaus will ich nicht! widerspreche ich. Ich bin mir selbst nicht geheuer, habe Schmerzen und bleibe am Feuer, bis ich alles erfahren.
    Darauf schüttelt der Hund das Haupt, seine Kiefer öffnen sich. Überzeugt, daß er gleich sprechen wird, starre ich ihn an. Er macht eine Drehung, winkt mit dem Kopf, wie man wohl einen guten Freund auffordert, nicht so störrisch zu sein. Mühelos öffnet er die Tür und läuft zum Pferdestall.
    – Reiten soll ich, trotz meinerWunde?
    Mit den Pfoten auf der Stelle tappend, zeigt er Ungeduld an, bis ich den Braunen gesattelt, mir einen Schemel geholt und unter Schmerzensseufzern aufgesessen bin. Nero wartet nicht, ob ich mich halten, das Pferd gängeln kann, er hetzt in denTann voraus. Ich beiße die Zähne zusammen, es verlangt Geschick, nicht bei jedem Sprung desTieres mit dem verletzten Schenkel aufzuprallen – Du hättest mich sehen mögen! ein verrücktes Reiterlein mag ich abgegeben haben. Der Hund schlägt nicht denWeg zum Jagdhaus ein, den ich nach letzter Nacht scheue wie keinen, er läuft vielmehr zumWeiler hinan. Zwischen verwahrlosten Häusern reite ich ein, man macht sich hier wenig Mühe, Haus und Hof herauszuputzen.Als Nero vor einer schäbigen Hütte hält und ich absteige, bemerke ich, daß dieWunde, aufgebrochen, wieder zu bluten beginnt, wodurch meine sandfarbne Hose sich rot färbt.
    Als sei ich erwartet worden, geht dieTür auf, einWeib tritt mir entgegen. Sofort fällt mir bei, wen ich vor mir habe, jene Frau ist es, die ich auf dem Balle

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