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Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Kriegspielen hab ich nie als meine betrachtet. Ich verabscheue dasTotschießen, wo sich’s vermeiden läßt, und kein Unterschied zwischen Menschen undVölkern kann so groß sein, daß ich mich bereit fände, zur Muskete zu greifen und auf meinen Bruder zu schießen. Jetzt aber, imAugenblick wildesten Entzückens, kenne ich die noble Einsicht nicht, jede Zurückhaltung ist aufgehoben. Ich will Kampf und Sieg, will den Gegner unter mir sich wehren, bluten, leiden sehn, endgültig sei es nun ausgemacht, wer der Überlegene ist, nicht durch anerzogene Maßstäbe, nur durch das Gesetz einer alles bezwingenden Stärke.
    Ich selbst bin diese Kraft,Wilhelm, fühl sie in mir, anwenden muß ich sie sogleich. So springe ich nicht unter Lottens Fenster, sondern zu denenAlberts hin und erhebe das fürchterlichste Geheul. Ein echterWolf, und hätte er eine ganze Herde gerissen, vermöchte so blutvoll sich nicht Laut zu schaffen. Das untere Fenster fliegt auf, ich erkenne den StrohkopfAlberts, vom Nachtschlaf gezaust, ohne Perucken, er ist im Hemd.Wird er die Pistole, die ich ihm zurückgegeben, von derWand holen? Zu umständlich wäre es, sie zu laden, zu viel Zeit ginge verloren, drum hat der wackereAlbert einen Stock zu Hand. Ich heule Hohnlachen! mit dem Spazierstock will er sich desWolfes erwehren.
    Zwei, drei Fenster fliegen auf, in allen Regionen des Hauses.
    – Bleibt drin! ruftAlbert. Schließt dieTüren!
    Ich aber sehe, auch die Balkontür ist aufgegangen, seh die Holde im Nachtgewand, das weiche Haar fällt über ihre Schultern, und auch wenn eine Schleife das Hemd gesittet zusammenhält, kann ich denAnsatz des lieblichsten Busens erspähen. In mir ist Gier, Hohn, Kraft undVernunftlosigkeit, alles in einem, ich fahr herum, woAlbert gestanden; er besann sich, kommt nicht mit dem Stock ins Freie, an der Gesindetür seh ich ihn einen großmächtigen Säbel schwingen.
    – Nero, du Bestie! schreit er und hebt das Panier.
    Im Moment begreif ich, er verwechselt mich mit dem Hund des Grafen, dessenVerschwinden manAlbert mitgeteilt hat, auch daß dasTier Charlottens Zicklein gefressen.
    – Er ist vollkommen toll! ruftAlbert. Ich mach ihm ein Ende!
    Das kommt mir gelegen: ein Ende zu machen, hab ich mich eingefunden, dein Ende,Albert, stell dich, Buhle, heut für immer wird entschieden, wer das Blutrecht auf das Mädchen hat!
    Ich setze aufAlbert zu, imAusfallschritt stößt er mir die Klinge entgegen, ich duck mich darunter weg und spring ihn an, er pariert mit der Glocke des Degens. Ich geh ihn von der nämlichen Seite an, krieg den Stiefel zu fassen, verbeiß mich ins Leder, reißAlbert herum, spüre den Stahl über mir, den er in mich hineinstechen will. Mit einem Ruck des Kiefers bring ichAlbert aus dem Gleichgewicht, der Säbel zuckt, entgleitet ihm, er stürzt zu Boden und liegt auf dem Rücken. Ich laß den Stiefel fahren, will aufAlbert los, ihm in die Brust, den Hals die Zähne schlagen, sein Blut will ich hinspritzen sehn – da fährt ein Stich mir in den Hinterlauf. Danach ein Knall, Feuerstoß über mir, ich sehe LottensVater auf dem Balkon derTochter, die Büchse imAnschlag. Der alte Förster hat sich sein trefflichAuge bewahrt, quer über denVorhof angelegt und trotz schwarzer Nacht sein Ziel getroffen. Die Kugel ist mir nahe der Beuge in den Schenkel gefahren. Damit nicht genug, steht Lotte, die dasWaidhandwerk auch erlernt, neben ihm, das Haar zum Zopf gedreht, und reicht demVater die nächste Flinte. Lotte lädt! Lädt das Gewehr, das mich erlegen soll! Nicht Ingrimm packt mich, sondern Bewunderung, Liebe in gesteigerter Form: sie ist eine Heldenbraut, ein Mädchen, das zu kämpfen weiß –Wilhelm! wie das mein Herz belebt. Nicht den mückerigenAlbert muß ich niederringen, Lotte selbst ist es, sie tritt zum Streit mit mir an, wie Penthesilea sich demAchill gestellt, wie der Pelide mit derAmazonenkönigin kämpfte, wie er, von ihr bezwungen, zuletzt von ihr aufgefressen ward – solch einen Kampf begehr ich, das ist dasWahre!
    Die Kugeln, die rundum pfeifen, lassen mich meinen Plan verschieben. Im Fenster ist der Großknecht aufgetaucht, auch er hat ein Pistölchen mitgebracht.Auf der Empore schießt derAlte mit Lottens Unterstützung munter weiter. So viel irrsinnigenWagemuts ist nicht in mir, daß ich mich mutwillig beschießen ließe – ich stoß einAbschiedsgeheul aus, mache kehrt und setze ins Dickicht.
    Du wirst zugeben,Wilhelm, das war eine Nacht, wie keiner von uns sie je hingebracht. Sie

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