Werther, der Werwolf - Roman
denWeg, nachdem er zu mir gesagt:
–Auf keinen Fall, er ist nicht zu retten.
Wie sehr schnitten dieseWorte in meinen Busen, später sagt ich sie insgeheim und unausgesetzt zu mir selbst: Unglücklicher, du bist nicht zu retten. Sieh endlich ein, daß du nicht zu retten bist!
Am 29. Juni.
Nun ist es offenbar!
Bester Freund, man wollte es mir verheimlichen – aus Rücksicht auf mein schicklich verborgenes, aber klar zutage tretendes Gefühl für Lotten, so nehme ich zumindest an.Vielleicht verschwieg man mir’s auch, weil ich mich im Fall des Meuchelmörders so merkwürdig unstatthaft benommen.
Wovon ich spreche?Von LottensVermählung natürlich. Der Hochzeitstag ist festgesetzt und fällt – oWilhelm! just auf denTag, der auf dieVollmondnacht folgen wird. Soll ich, muß ich Dir mein Gefühl berichten? Es ist dem Malstrom gleich, der alles verschlingt, verdreht, was in seine Nähe kommt. Ich hätte nicht geglaubt, daß ich mich so wenig auf Erden, statt dessen lodernd in Flammen, in aufgewühltemWasser, im Sturm befinde, der mich und alles, was Ich gewesen, zerreißt!
Dabei danke ichAlbert, daß er mich betrogen und das Datum, das seitWochen feststeht, so lange vor mir fernhielt.
Ich hatte mir vor langem vorgenommen, an jenemTag, wenn Lotte endgültig für mich verloren, ihren von mir verfertigten Schattenriß von derWand zu nehmen und ihn unter anderm Papiere zu begraben. Nun werden die zwei ein Paar, und der Scherenschnitt hängt immer noch. Er soll bleiben – und warum nicht?Was ihr beiden auch tun mögt, wie sehr ihr euch dreht und Gott mit seinem Sakrament zum Notar eurer Sache macht, ich bin in Lottens Herzen, hab mich darin eingegraben! Sie mag es nicht zugeben und nach außen tun, als hätte ich den zweiten Platz in ihrer Gunst – sie lügt!
Wilhelm! jedesmal, wenn die unendliche Natur zu mir spricht, weiß ich – Lotte liebt mich! Sie heiratetAlbert, weil ihre geschärften Sinne ihr zutragen, ich sei zu mächtig für sie, könnte sie überwuchern, dann wäre zu wenig von ihr selbst noch übrig. Sie heiratetAlbert – ich begreif es verzweifelnd, zugleich hohnlachend, weil er ihr unterlegen! Ich mache ihrAngst, vor mir bricht sie schaudernd ins Knie, nur so,Wilhelm! kommt ihr Entschluß zustande. Indem sie mich für zu groß hält und von sich stößt, zernichtet sie mich für immer. O daß ich’s nicht erlebt hätte! daß ich schon alsTier durch dieWälder gestreift, wenn Lotte vonAlbert den Ring angesteckt bekommt und dasWort spricht, das die Erde unter mir zum Einsturz bringt: Ja!
Ich kann nicht mehr,Wilhelm! weiß nicht, wie ich Beherrschung finden, Besinnung gewinnen soll, wo die Nacht meiner Entmenschlichung und derTag ihrer Heimführung aufeinanderfolgen. Ich habe Nero meine Not geklagt, war auf demWeg zur Heilerin, sie ein weiteres Mal nach Rat zu fragen – was fruchtet es! Sie wird sagen, was sie damals gesagt: MeinAuftrag istVerzicht, zum Dämonenwolf werde ich nur um den Preis des Opfers. Indem ich Lotten ihren Frieden lasse, wird die dunkle Seite desWolfes gebannt, und die hellichte tritt hervor.
Zur Hölle damit – hell mag ich nicht sein!Wenn ich zur Bestie bestimmt bin, will ich dies Dasein bis in jedenWinkel hinein kosten! Nicht jammern und imVerzicht mich suhlen – geifern muß ich, brennen, verglühen und alles mit mir reißen, was mich niederzieht! Ein Geschöpf des Heils? nimmermehr! Ich lache der Heilerin Hohn, will nicht Gutes tun, morden will ich, gerechtfertigt, wie jener Knecht getan, der nun denTod dafür erleidet. Mir aber ist nichtTod geweissagt, sondern herausgehobnes Leben: so wird jede Untat, die ich begehe, geadelt, wie blutrünstig und widernatürlich sie auch sei!
Am 1. Juli.
Ich war beim Grafen.Anders als bei jenem ersten Mal, da Nero mich geweckt, fuhr ich von selbst aus unheiligem Schlaf. Da ich den Hund suche, ihn um Führung bitten will, finde ich ihn nicht. Ich geh hinaus, das Pferd zu satteln, doch als ich mit der Fackel ins Freie trete, durchpulst mich Gewißheit, ich bedürfe des Gaules nicht.Wozu ein gezähmtesTier sich untertan machen, wenn das eigentlicheTier in mir schlummert? Falsch! mit dem Schlummernden ist’s vorbei, ich bin Tier –Wilhelm! ich behaupte es stolz. Das Fackellicht schimmert auf meinem glänzenden Leib, ich leide es nicht, Beinkleider und Stiefel überzustreifen, anderer Häute bedarf ich nicht mehr, meine Haut zu schützen.Abgehärtet wie der Büffel, widerstandsfähig wie derWolf bin ich, die sommers wie
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