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Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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winters im Freien verweilen – heiß ist die Julinacht!
    Als ich das erste Mal imTraum durch denWald gesprungen, war mir derWeg kurz vorgekommen, diesmal bin ich wirklich und leibhaft unterwegs.Wer leitet mich, woher weiß ich, welche Richtung einschlagen? Ich weiß es einfach, Freund! jener Andere in mir weiß es, der Ursprüngliche, der Instinkt. Ich hetze durch die Nacht, kein Mond zeigt sich, ich brauche ihn nicht, folge derWitterung und – wäre es nicht ein abgenutztes Bild – müßte ich sagen, ich folge dem Ruf des Blutes.
    Es gibt das Schloß, ich kann es Dir versichern, ist keinTrugbild, keineTraumgeburt.Verfallen liegt es da, und doch wohnt ihm Leben inne, selbst wenn es die Behausung einesToten ist. Da ich speichelnd vor dem Gemäuer halte, stoß ich ein Geheul aus, mein Hemd, ich merk es, ward mir im Dickicht vom Leib gerissen, nackt springe ich in den Innenhof, nackt dieTreppe hoch und erreiche mit einem Keuchen den großen Saal.
    Der Graf hat sich verwandelt – oder ist es meinAuge, das ihn verwandelt sieht? Nicht länger das Bild seinerVergangenheit, der würdige Herr, Sproß eines Geschlechts, das bis in die Staufferzeit zurückreicht – er ist einWolfskönig worden, unbekleidet wie ich, aufrecht auf zwei Beinen, von Kopf bis Fuß mit Fell bedeckt, schwarz gleich mir, nur auf der Brust, im Schritt und an den Ohren ist sein Pelz ergraut. Jetzt, da ich ihm nicht träumend, sondern wahrhaft gegenübertrete, mag es mir auch nicht märchenhaft erscheinen, daß der Graf alsWolf zu mir spricht. Seine Schnauze öffnet sich, gefährliche Zähne schimmern darin, Geifer spiegelt sich im Schein der Fackeln.
    – Dein Ziel ist fast erreicht, spricht er. Komm nur auf letzter Strecke nicht vomWege ab.
    Ich nähere mich ihm mit zwei Sprüngen. – Du unterwirfst mich der Lebensform eines ungezähmtenTieres, willst mich naturgegebneWildheit aber nicht kosten lassen, heul ich. Du sagst, ich sei ein guter Wolf – enträtsel mir das Paradox! DerWolf ist Raubtier, hetzt die Beute, stellt sie, beißt sie tot. Ich aber soll mit dem HerzenWolf sein, im Benehmen aber weiter als wohlerzogner Mensch hindümpeln!Was bin ich,Vieh oder Edelmann, schlag ich meine Zähne inAlberts Hals und entledige mich des Buhlen, oder greif ich mit artig gestutzten Fingernägeln den Homer vom Regal, ergetz mich an schönen Gedanken und erscheine im Sonntagsanzug bei Charlottens Hochzeit?
    – Das Mädchen ist dein Golgatha, antwortet der gräflicheWolf. Indem du den Kalvarienberg überwindest, wirst du des Geschenkes des Dämonenwolfes würdig.
    – Geschenk! ich lache. – Ein Fluch, der mich tief und tiefer hineingeraten läßt! Schon argwöhnen die Dorfbewohner, die Menschen im Jagdhaus, argwöhntAlbert, daß es mit mir nicht rechtens zugeht.Wenn ich nichtAcht hab, geschieht mir’s wie dem armen Sünder, der, in die Festung geworfen, bald zum Schafott geführt wird.
    –Wo ist deinAmulett, fragt der Graf. Er tut es zu Recht, hab ich die merkwürdige Münze doch fast vergessen. Nachdem ich sie von der Heilerin entgegengenommen und ich meinemWahlheim rasch entfloh, nachdem ich mit dem Gesandten zu Hofe gereist, hatte ich desTalismans nicht mehr gedacht.Wahrscheinlich findet er sich in meiner Reisetruhe unter anderm Zeug.
    – Suche dasAmulett, fährt der Graf fort, lege es um den Hals.Wenn es den Schmerz deiner Begierden lindert, wirst du leichter imstande sein, denVerzicht zu leisten, der die Krone deinerVerwandlung darstellt.
    – Die Krone ist Lottchen! erwidre ich. Ob alsWolf oder als Mensch, ohne sie bin ich nichts.Wozu sind Kräfte mir gegeben, von denen kein Sterblicher träumen darf, wenn ich sie unterdrücken muß?
    Der Graf erhebt die Pranke. – Nur wer die Macht des Dämonenwolfs in sich zügelt, besitzt sie zu Recht.
    Das sindWorte, die ich nicht hören mag, will nach dem Gesetz nicht leben, das der Graf errichtet. Fürs erste füg ich mich, versichere demWolfsmann, dasAmulett zu suchen und mich seiner zu bedienen. Damit endet mein Besuch, der mich so ratlos zurückläßt, wie ich ihn begonnen.
    Vor meinem Haus, es dämmert, erwartet mich Nero. Er trägt, glaub es, Freund, oder nicht, die Münze an ledernem Band im Maul.Auch er will mich zähmen. Kannst Du’s ermessen? sie lassen mich zumTier werden, und verbieten mir’s zugleich, gaukeln mirWildheit vor und sperren mich in den Käfig.Wie will, wie soll ich es nur ertragen!

Am 4. Juli.
    Wie die Natur sich zum Herbste neigt, wird es Herbst in mir und um mich her.

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