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Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Meine Blätter werden gelb, um nächstens abzufallen. Du staunst, wenn Du dies liest, da wir uns prallsten Sommers ja erfreun.Was also fasle ich vom Herbstlichen?
    Liebster Bruder, ich trage dasAmulett dreiTage schon und lasse es seineWirkung tun.Wie ich sonst Baldriankraut inWasser löse, vor dem Zubettgehen trinke und seineWirkung einsetzen spüre, schenkt mir derTalisman der Heilerin Schlaffheit, Melancholie – doch Frieden nimmermehr. Die wilden Gelüste, Bilder von Brunft und Leidenschaft lodern ungelöscht, sie werden nur durch künstliche Sanftheit niedergehalten. Mit stillerTraurigkeit schleich ich durch die Stunden, bedaure mich ein wenig, esse mäßig, trinkeWasser, sitze am Feuer – an Julitagen! – die Hände zwischen die Beine geklemmt oder nehm mir den Homer oder den lieblicheren Ossian zur Hand, laß mich von linden Gedankenblüten ergetzen.
    Ossian verdrängt aus meinem Herzen, was da noch knurrend und aufsäßig gegen mein Schicksal gewesen. In eine dämmerigeWelt entführt mich der Gute! Zu wandern über die Heide, inmitten von Nebeln die Geister derVäter zu schaun, zu hören vom Gebirge halb verwehtes Ächzen derVerblichenen und den leisen Jammer des Mädchens auf moosbedecktem Stein – das ist wohltuend, erbauend, Lieber, ist herrlich unangestrengt.Wenn ich auf Ossians Spuren dem wandelnden grauen Barden folge, der auf weiter Heide die Fußstapfen seinerVäter sucht und ach! wimmernd nach dem Stern desAbends hinblickt, möchte ich mich gern von der zückenden Qual seines und meines langsam absterbenden Lebens befreien und dem Halbgott im Buche meine besänftigte, schläferige Seele hinterher gleich senden.
    Ich sehe Lotten häufiger als vordem, da der Schmerz sich verflüchtigt, der mir’s unerträglich ankommen ließ, in ihrer Gegenwart, und doch nicht der Ihre zu sein. So sind wir letztenAbend zusammen gewesen, spielen mit den Kleinen ein Pfänderspiel, später gebe ich ein Märchen zum Besten, das die Kinder, auch Lotten in reizendes Gelächter ausbrechen läßt. Ich bin zugegen, als sie die Kleinen in den Schlaf singt, steuere eine ungekünstelteTerzenstimme zum Schlaflied bei. Danach sitzen wir traulich am Feuer, der alte Mann verabschiedet sich bald zur Ruh.
    Lotte und ich!Wie hätte ich mich noch vor Tagen nach solcher Zweisamkeit gesehnt, wie hätte es mein schmerzlich sehnendes Herz inAufruhr gebracht! Nun aber stochere ich mit dem Haken in der Glut, den Rock hab ich um die Schultern hängen, als ob ich fröstelte.
    –Wollen wir hinaus, die Sterne betrachten, sagt Lotte. Dann erzählen Sie mir, was Sie von den Sternbildern wissen. Die Gute scheint unruhig, sommerlich ausgelassen, sie mag nicht wie zurWinterszeit dasitzen, und plaudernd verstreicht die Zeit.
    Ich erfülle ihrenWunsch.Auf derTerrasse, denArm erhoben, zeige ich ihr Cassiopeia undVega, verrate, daß sie Sterne erster Ordnung sind, beantworte Lottens Frage, ob unsere Erde, von derVega aus betrachtet, auch so leuchten müsse, und sage, uns sei keine Leuchtkraft gegeben, wir glänzten nur im Licht der höheren Kraft, unserer Sonne. Ohne sie wären wir dunkel und öde, darum sieht der Mann auf derVega nicht jenenTrabanten, Erde genannt, er sieht, inmitten tausend anderer Sonnen, die unsere, weil sie seitAbermillionen von Jahren ihr Leuchtfeuer in den Himmel sendet, daß es in fernste Regionen vordringt.
    –Wie traurig, sagt Lotte, daß in uns kein eigenes Feuer brennt.
    – Dann wären wir verschmort und ausgebrannt. Ich schmunzle bei dem Disput.
    – Es wär doch schön, wenn wir so brennen könnten! Lotte sieht auf zu mir, ihreWangen sind von ansprechendem Rot, sie lächelt nicht huldvoll, wie ich’s gewohnt, wennAlbert in ihrer Gegenwart, sie lacht frech, herausfordernd, ich spüre, sie erwartet mehr von mir, als daß ich von Sternen schwadroniere. Lottchen legt ihre liebliche Hand neben meine auf die Brüstung, ihr kleiner Finger berührt den meinen – Freund! wenn ich, vorTagen noch, solcheAnzeichen ihrer Zuneigung erfahren hätte, heißa! hätt da mein Herz gelacht.Wie hätte ich mich in denTaumel geworfen, ihren Finger, die Hand, das ganze Mädchen mit Küssen überschüttet, und wäre ich nicht noch weiter gegangen? Hätte ich ihr nicht in glühendenWorten gestanden, was sich seit langem in mir angesammelt, sich aufbäumt und hervorquellen will, um sie mit meiner Liebe zu netzen!Wär ich nicht Manns genug gewesen, Lotte zu fassen, wie sie da stand, ihren Leib auf die Brüstung zu biegen und mir fliegend,

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