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Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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gestanden und von dem ich erfahren habe, daß er seine Herrin heimlich geliebt.
    –Was hast du begangen, Unglückseliger! ruf ich aus, daß jeder im Umkreis es hören kann.Wahrhaftig,Wilhelm! DeinWerther, der Menschenansammlung haßt und jede Belustigung meidet, bei der gegafft, geschmäht wird, dieserWerther schreit den Unglücklichen an, der dieTat begangen haben soll – und warum? weil sie aus Liebe geschah! Ohne mit Einzelnem vertraut zu sein, mutmaße ich, was das Motiv des Unseligen gewesen, und mein Instinkt trifft just ins Schwarze.
    Der gefangene Knecht sieht mich still und lange an und versetzt schließlich gelassen: Keiner wird sie haben, wenn ich es nicht bin, und sie wird keinen haben, außer ich wär’s.
    Man bringt ihn in die Schenke, ich stehe vom Donner gerührt. Der Satz ging mir durch Mark und Bein, könnte er genausogut über meinem Schicksal stehn. Sollte ich je um einen Grabspruch verlegen sein, den man über meinen Gebeinen aufpflanzen mag, der müßt es sein: Keiner wird sie haben, wenn ich es nicht bin. Sie wird keinen haben, außer ich wär’s.
    Die Einsicht des schlichten Mannes macht mich rasend, erhellt sie doch, was ich in solcher Klarheit nicht einzugestehen wage.Aus meinerTraurigkeit, meinem Mißmut war ich mit eins gerissen, kraftvoll bemächtigt sich meiner dieTeilnehmung, und es ergreift mich Begierde, diesen Mann zu retten. Ich versetze mich so tief in seine Lage, daß ich zuversichtlich bin, auch alle andern von seiner Schuldlosigkeit zu überzeugen.Als ob ich nicht ein Besucher, sondern gleichsam Jupiter selber wäre, der zu richten und zu rächen kommt, stürme ich in die Schenke, wünsche für ihn zu sprechen, der lebhaftesteVortrag drängt sich nach meinen Lippen. Da finde ichAlbert in der Stube gegenwärtig. Das verstimmt mich, doch faß ich mich gleich wieder und trage demAmtmann, der bereits eingetroffen, feurig meine Gesinnung vor. Dieser schüttelt, vomAuftritt eines weitgehend Fremden brüskiert, energisch das Haupt. Obgleich ich mit der größten Lebhaftigkeit, Leidenschaft undWahrheit alles vorbringe, was ein Mensch zur Entschuldigung eines Menschen sagen kann, ist, wie sich leicht denken läßt, derAmtmann dadurch nicht gerührt. Er läßt mich nicht ausreden, widerspricht unter Einsatz seinerAutorität und tadelt mich, daß ich einen Meuchelmörder in Schutz nehme. Er pocht darauf, daß durch mein gefühlsmäßiges Urteilen jedes Gesetz aufgehoben und alle Sicherheit des Staates zugrund gerichtet werde.
    Ja und tausendmal! schreit’s in mir bei seinenWorten, die Gesetze solch eines mitleidlosen, fühllosen Staates sollen fallen, jene angenommene Sicherheit, die Menschen in ihrer schlotternden Erbärmlichkeit aufrichten, möge bröckeln, wie selbst die stolzeste Stadt doch einesTages niederstürzen und verrotten und vom dichten Dschungel überwuchert wird!
    DerAmtmann setzt hinzu, daß ich in der Sache nichts tun könne, ohne mir größte, mich selbst belastendeVerantwortung aufzuladen. Dabei sieht er mich dümmlich an, alles müsse in Ordnung, in dem vorgeschriebenen Gang ablaufen.
    Ich gebe mich noch nicht drein, bitte, irrwitzigster Idee Raum bietend, derAmtmann möge durch die Finger sehn, wenn ich dem Beschuldigten zur Flucht behülflich wäre.Auch damit weist der Mann brüsk mich ab, undAlbert, der sich ins Gespräch mischt, tritt auf des Büttels Seite.
    –Werther, wie wird dir! ruft er entrüstet.
    Ich hätte wissen müssen, daß der Brave in seinem Innern kein Schlupfloch findet, sich meiner Sicht des Falles zu eröffnen.Was er darauf in Gegenwart desAmtmanns über die Sache des Gefangenen spricht, ist mir höchst zuwider, ich meine gar eine EmpfindlichkeitAlberts gegen mich darin zu bemerken.Was hilft es also, wenn ich sage,Albert ist brav und gut, wo sein Gehaben mein Eingeweide doch zerreißt; ich kann ihm gegenüber gerecht nicht sein.
    – Seid ihr alle tot und abgestorben, daß ihr die Not dieses verschmähten Herzens nicht ahnt? rufe ich in die Schenke, schreie ichAlbert entgegen. Knechtet euch das Leben so sehr unter dem Gestirn der Freudlosigkeit, daß ihr einem Seelenschrei wie jenem gänzlich taub gegenübersteht?
    Was ich im Zustand glühenden Zorns und bebender Überzeugung auch vorbringe, ich werde überstimmt, mehr noch, mein Credo wird als unmoralisch eingestuft. Den Blick, denAlbert mir beim Hinaustreten schenkt, werd ich schnell nicht vergessen. Man bringt denTäter, der mich befremdet mustert, fort. DerAmtmann macht sich mit ihm auf

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