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Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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schreiend zu nehmen, was mir zugedacht, seit ich zum ersten Mal auf jenem Ball die Lippen auf ihre Hand gepreßt und Lotte mich erschauernd ansah! Ich hätte es getan und es tun sollen! wäre das gottverdammteAmulett nicht wie Blei auf meiner Brust gelegen, hätte es seine erschlaffendeWirkung nicht in mir verbreitet, die mich schwerfällig, schwer von Begriff, schwer reizbar machte!
    Da Lottchen vom Brennen redet und mit ihrem Finger den meinen anstippt, da sie wartet, bangt, da ich, niederschauend, die wild schlagendeAder an ihrem Hals erblicke, verstehe ich dieAnzeichen zwar allesamt, nehme aber gesittet die Hand vom Balkon und antworte ungefähr: So viele Rätsel sind in der Natur, es ist an uns nicht, sie zu lüften.
    – Ist doch an uns! ruft sie aus.Wer, wenn nicht wir, die Lebenden, Leidenden, sollten sie lüften? Keck schaut sie mich an, und was tu ich,Tropf, den ein Gott zerschmettern möge! Erwidre kühl ihren Blick und frage:Wo befindet sichAlbert heute abend?
    Ihre Miene wird ernst, sie beißt die Lippen aufeinander, weiß nicht, was sagen, meine Fühllosigkeit beleidigt sie. Dann reißt auch sie die Hand zurück.
    – Ich hatte ihm einen Zettel aufs Land geschickt, wo er sich in Geschäften aufhält.Wollt Ihr wissen, was ich geschrieben? Herausfordernd hebt sie das Köpfchen: Bester, Lieber, kommen Sie sobald Sie können, ich erwarte Sie mit tausend Freuden. Sie schweigt.
    – Nun, warum ist er nicht gekommen?
    – Gewisse Umstände, antwortet sie, er bleibt dort über Nacht.Was wäre geschehen,Werther, wenn dieser Zettel in falsche Hände gelangt?
    – Falsche, in wessen Hände?
    –Vielleicht in Eure. Ihr Blick ist unverwandt, die Pupille nachtschwarz.
    –Was die Einbildungskraft doch für ein göttlich Geschenk ist! rufe ich lachend aus. Ich hätte mir unter dem Umstand, den Ihr schildert, einenAugenblick lang vorspiegeln können, als wäre der Zettel an mich geschrieben!
    – Nun, und? IhrAugen sind lockende Seen, die Lippen öffnen sich, ihr geschmeidiger Körper drängt heran.
    – Es würde mir geschmeichelt haben, antworte ich. Doch im nächsten Moment würde ich wissen, daß ich nur einer Grille aufgesessen.
    –Weshalb? IhrAtem geht schnell.
    – Das fragt Ihr, die Ihr in wenigenTagenAlbert angetraut werdet?Ach Lotte, Ihr spottet mein, ich dulde es nicht.
    Wie ein Kamerad biete ich ihr darauf denArm, daß wir hineingehen. – Merken will ich mir Eure Schrulle, füge ich hinzu, könnte sie zum Besten geben auf dem Hochzeitsfest, wenn’s an mir ist, eine Rede zu Ehren des Brautpaares zu halten.
    –Tut das, antwortet Lotte, eineTraurigkeit ist in ihrer Stimme, wie ich sie niemals gehört. Mit schleppenden Schritten folgt sie mir in die matt erleuchtete Stube, ich verabschiede mich sogleich, reite heim und schlafe die Nacht wie der allergewöhnlichste Gerechte.
    Freund! ich weine, da ich die Zeilen überlese.Was für einTor bin ich gewesen, schlimmer, was für einWeichling! Ich mag mich den ganzenTag nicht anschauen im Spiegel, und im Geist bespucke ich mich für diesesAbenteuer, das keines war.

Am 6. Juli.
    Ich habe dasAmulett abgetan – Du hättest dieWirkung sehen sollen, Bester! Unter der erschlafften Oberfläche rumort es nämlich, wie ein furunkulöses Bein nach außen angehn mag, während unter der Haut Eiter und entzündende Stoffe ihr Unwesen treiben und nächstens hervorquellen werden. Da ich die geheimnisvolle Münze vom Hals nehme, sie gesittet auf denWaschtisch lege, faucht’s mich aus dem Spiegel an, meine Züge – Freund! verzerren sich zur Fratze, die mich in denAbgrund meiner verdammten Seele schauen läßt. Ein fürchterlicher Dämon blickt mich an – das bin ich worden! durchschauert’s mich. Das ist das Ungeheuer, das die Macht über mich erobert und nicht länger warten will, vollends Besitz von mir zu nehmen. Ist das die Kraft, von der Graf von W . sprach? Ist es das Gift, das sein Gegengift in sich trägt, der Erreger, der als quälendes Fieber hervorbrechen muß, ehe Heilung einsetzt? Ich habe Mühe, es zu glauben, bin voll Furcht, daß ich unausweichlich in den Schlund des Bösen hinabgesaugt werden und keiner Erlösung teilhaftig sein könnte. In meiner Bewegtheit wischte ich denTalisman vomTisch, nun stürz ich hin, geifernd und unerhörte Laute ausstoßend, zwing mich, die verkrampften Finger darum zu schließen und mir das Lederband erneut um den Hals zu legen. Ich wälze mich vor Schmerz auf dem Rücken, der Dämon duldet’s nicht, eingekerkert,

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