Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
steht, die zottigeTatze in der Luft erhoben, schaut uns an, menschlichenAnblicks so wenig gewohnt, wie wir den seinen. EinenAugenblick scheint es, er würde kehrt machen und uns dasWegerecht lassen. Der Blick des Bären macht Lotte schaudern, sie schmiegt sich noch dichter an mich. Die Bewegung mag den Bären aufgeschreckt haben; der Jäger erwacht in ihm, er steigt auf die Hinterbeine, richtet sich auf.Wilhelm! in Büchern hat man uns solches bildhaft gemacht, nie hätte ich aber erwartet, daß die Höhe eines stehenden Bären so furchteinflößend sein könnte. Zwölf, dreizehn Fuß mißt er, mächtig die Brust, der ergraute Bauch, gewaltig die Pranken, die er drohend hebt. Dazu brüllt er und fletscht er, daß Lotten fast die Sinne schwinden.
    – Gott, steh uns bei! Ihr Gesicht ist meinem nah; da ich den Kopf senke, berühren sich unversehens unsere Lippen.
    – Lotte, liebe Lotte, ich kann uns retten, flüstre ich in das liebe Gesicht.
    –Wie,Werther? Habt Ihr eineWaffe dabei, ich hätte beim Fortgehen keine an Euch gesehen. Ich schüttle das Haupt.
    –Wollt Ihr mit bloßen Händen? Sie erschauert. – Nimmermehr,Werther!
    – Bevor ich es wage, müßt Ihr mir versprechen, Euch über das, dessen ihr gewahr werdet, nicht zu ängsten noch zu wundern. Es ist einVorgang, der absonderlich, dabei dochTeil der Natur ist. Niemals, beste, gute Lotte, hätte ich Euch mein Schicksal offenbart, doch die Sache will’s, Euer Leben muß ich retten, so wenig das meinige mir bedeutet.
    –Werther, er verwirrt mich! Dabei läßt Lottchen den Bären nicht außerAcht, der die Drohgebärde aufgibt, vornüber auf alle viere stürzt und auf uns losprescht.
    –Vertraut mir, Lotte! schrei ich, packe das lederne Bändel am Hals und reiße es ab. Ich will das Medaillon in die Flut schleudern, besinne mich und drück es in Charlottens Hand. Noch ehe das Metall die meinige verläßt, spür ich einsetzendeVerwandlung. Der Dämon frohlockt, aus dem Käfig gelassen zu werden, und sprengt die Kette, die ich ihm angelegt.
    Flehend seh ich Charlotten an: Ich bin’s nicht, Lotte, hauch ich, das Überwesen ist es!Verzeiht, Lotte, verzeiht!
    Ich sinke zu Boden, von jenem vertrauten Schmerz durchlodert, er streckt mich, ich schrumpfe, mein Schädel verformt sich, mein Auge sieht die Borsten sprießen, ich frag mich, wie es Lotten anmuten mag, solches zu schauen! Die Klauen, die schwarze Wolle an mir, ich spür die Wirbel hochspringen, fühle, wie mein Becken Tierstellung einnimmt, die Beine schrumpfen, zugleich kräftiger werden, ich seh meine Kleidung von mir abfallen – nackt, nackt! schaut mich die Geliebte. Es bleibt keine Zeit, der Vorstellung etwas Genußvolles abzugewinnen – der Bär ist heran, der Bär kommt meinem Mädchen zu nah, ist mein Feind, muß mein Feind sein.
    Blitzschnell wende ich mich dem Giganten zu, ehe er sich auf Lotten stürzen kann, bin ich in seiner Flanke, so unversehens, daß er aufheult. Sein Galopp verliert das Ziel, der Bär taumelt zur Seite. Nur überrascht habe ich ihn, nicht verwundet. Brüllend erkennt er den Gegner und greift an. DasVieh,Wilhelm, es ist zu schaurig! hat zehnmal mehr Masse als ich. Schwer und kraftvoll, gewaltig stürzt sich der Schwarzbraune auf mich; ein ganzes Rudel Hunde hätte es gebraucht, einen Bären im Kampf unschädlich zu machen, ich aber steh ihm allein gegenüber.Versichere mich, daß Lotte in eine Felsgrotte zurückweicht und von dort dem tödlichen Schauspiel beiwohnt. Ich muß Dir’s bekennen: daß sie mein Publikum war, mich kämpfen sieht, gibt mir Kräfte, die ich noch nie erprobt. Ich bin nicht nurWolf, auch Dämon, nur der Dämon kann die Bestie zu Fall bringen. Mut und Kraft schießen mir ein. Statt seinenAngriff zu erwarten, werf ich mich selber auf ihn. Such dieWeichteile zu fassen, ein Schlag seinerTatze, lässig hingesetzt, schleudert mich weit zur Seite. Beinah werde ich in dieTiefe gerissen. Setz meine Krallen ein, beiß mich im Moos fest, finde Halt und stürze erneut auf ihn los.
    Ich erspare Dir, Freund, den schauderhaften Zweikampf, der nun folgt. Da ich zu schreiben imstande bin, magst Du ahnen, daß mich der Bär nicht bezwungen, ich seinen machtvollen Klauen, dem tödlichen Biß des größten lebenden Räubers nicht zum Opfer gefallen. Ich kann nicht sagen, ob es der Dämon gewesen, der mir die Fähigkeit zukommen ließ, das Rettende zur rechten Sekunde zu tun, jedenfalls setze ich zu einem mächtigen Sprung an, nämlich vom Moosgrund auf die

Weitere Kostenlose Bücher