Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Werther, der Werwolf - Roman

Titel: Werther, der Werwolf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
manche wollten an die Fenster, andere weinten in ihren Bettchen, Lotte fandTrost für alle.
    Es wurde Licht gemacht, Fackeln erhellten den Umkreis, kein Tier konnte sich dem Haus nun ungesehen nähern. Allein, niemand verstand später zu sagen, wie es sich zugetragen, war der Wolf plötzlich unter ihnen. Ein Wolf! Alle, die dazu befragt, versicherten es auf Ehre: das war kein wilder Hund, der ins Jagdhaus einbrach, nie könnte ein Hund zu solcher Größe aufwachsen. Selbst für einen Wolf hatte das Ausmaß seines Körpers sagenhafte Züge. Er soll schwarz gewesen sein, die Augen leuchteten in giftgem Gelb, riesige Tatzen seien ihm zu eigen gewesen, Zähne habe man in solcher Schärfe noch nie erblickt. Er sei ins Haus gekommen, so der Großknecht später, als wäre er vom Himmel zur Pforte herabgesprungen, und fand seinen Weg durchs Haus, als habe er es häufiger schon besucht. So unversehens sei das Wolfstier aufgetaucht, so gräßlich sein Anblick, daß zu Anfang kein Schuß gefallen. Gebannt hätten die Schützen ihrer Flinten vergessen, ungehindert sei der Wolf durch die Räume gestrichen. Habe, welch ein Schreck! den Weg zur Treppe genommen, sei mit zwei Sätzen ins Stockwerk gelangt und ohne Suchen bei den Kindern eingedrungen!
    Das sei ein fürchterlichWehklagen gewesen, als das Riesentier im Kinderzimmer aufgetaucht, gewittert, gefletscht und gräßlich geröhrt habe. Nur eine hätteVernunft und Besinnung nicht fahren lassen; Charlotte sei aufgestanden, furchtlos auf denWolf zugetreten und habe, man wollte seinen Ohren nicht trauen! zu ihm gesprochen. DenAnschein hätte es gehabt, als seien die beiden ins Gespräch gekommen, derWolf habe gemurrt, nicht feindselig, widerwillig eher, als Lotte ihn besänftigend bat, den Kleinen kein Leids zu tun. DerWolf sei darauf furchteinflößend um die Kinderschar gestrichen, habe sich aber keinem genähert und wäre – die Mägde erzählten’s ganz außer sich – schließlich abgezogen. Nicht aus dem Haus, nur aus dem Oberstock; da er auf ebene Erde zurückkehrt, knallen die Flinten los. Die Männer hatten sich verschanzt:Tische, Schränke und Kommoden dienten ihnen alsWehr, von dort aus feuerten sie auf den Eindringling.
    Aber ach! die friedliche Bemannung des Jagdhauses war desWaidwerks entwöhnt; vielleicht mochten auch die Flinten nicht recht gewartet worden sein: sie trafen kläglich!Wieviele Kugeln auch in dieWände knirschten, Porzellan zerschmetterten und in Zinnteller schlugen, die an denWänden hingen, derWolf blieb von den Schüssen unbehelligt. Es schien, so der Großknecht, die Kugeln träfen nur deshalb nicht, weil ein Fluch der Bestie ihnen Einhalt gebot. Das sind so Fabeleien, wie sie leicht erfunden werden, wenn einem Schützen etwas mißglückt; wahr scheint jedoch, daß derWolf ungehindert ins letzte Zimmer vordrang, dieTür desselben offen fand und beiAlbert einbrach. Der Bräutigam stand, aufs Äußerste gefaßt, beide Pistolen imAnschlag, mit dem Rücken zurWand. Er drückt denAbzug, der Feuerstein entzündet das Pulver, welches die Kugel aus dem Lauf treibt, sie trifft denWolf. Der weicht und wankt nicht; obgleich getroffen, schleicht das Riesentier aufAlbert zu. Das Maul ist weit offen, die Lefzen triefen, gräßlich fletschen die Zähne, die sich inAlberts Leib schlagen sollen. Der Gute meint, er habe ausgelebt.
    Da taucht, es wurde in Übereinstimmung berichtet, ein weitererWolf vor dem Jagdhaus auf.VomWaldrand mag er die Kuppe hochgesprungen sein, steht auf mondbeglänzterTerrasse. Dieser zweiteWolf, kleiner als der erste, genauso schwarz, hebt das Haupt: es ist, als schaue er zum Fenster herein, woAlbert seinem viehischen Mörder gegenübersteht. DerWolf im Freien stößt einenTon aus, wie man ihn vonWölfen nicht kennt; einen langen, tiefen Laut, klar und wohlgeformt, als verstünde derWolf sich in der Kunst des Singens. Sein Bruder im Jagdhaus zuckt rückwärts, dringt nicht weiter aufAlbert vor, sondern beugt vor dem zuTode Geängsteten das struppige Haupt, knurrt versöhnlich, macht kehrt und läuft zum Zimmer hinaus, durch die Stube, vorbei an den starrenden Jagdgesellen, die ihre Büchsen vergessen. Läuft aus dem Haus, zum zweitenWolf hinauf, ein Moment des Innehaltens, als die Kreaturen einander begegnen, dann springen sie vereint von derTerrasse und sind im nächstenAugenblicke imWald verschwunden.
    Es dauert Stunden, bis man die Kinder beruhigt, die Männer einander bis ins Kleinste berichtet haben, was sie gesehen, erlebt, bis

Weitere Kostenlose Bücher