Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
Vom Netzwerk:
Kaffee, und es schien, als hätten alle nur auf den Kaffee gewartet, um auf den wahren Grund dieses abendlichen Beisammenseins zu sprechen zu kommen.
    »Ich halte es für richtig, Ihnen gleich zu sagen, Mr. Sangrom«, begann Walter steif, »daß ich diesen Dingen, mit denen Sie sich befassen, äußerst skeptisch gegenüberstehe, und daß mir das, was Sie mit dem Kind vorhaben, durchaus nicht sympathisch ist.«
    »Mr. Woodson, wenn es niemanden gäbe, der meiner Arbeit kritisch gegenübersteht«, versetzte Mr. Sangrom bekümmert, »dann wäre diese Welt ein Paradies.« Er senkte den Blick in seine Kaffeetasse. »Ein Paradies«, wiederholte er mit leiserer Stimme.
    »Haben Sie beim Abendessen etwas gespürt?« erkundigte sich Tante Cat.
    »Das ist schwierig bei so vielen widersprüchlichen Schwingungen am selben Tisch«, erwiderte das Medium mit gesenkter Stimme. »Aber ich habe gewisse Emanationen entdeckt, und einmal hatte die Aura des kleinen Jungen einen seltsamen Glanz, der nicht natürlich war. Ja, Mrs. N., ich glaube schon jetzt sagen zu können, daß dies ein fruchtbares Experiment werden wird.«
    Walter wandte sich angewidert ab und warf mit hochgezogenen Brauen einen Blick auf seine Frau.
    »Mr. Sangrom«, fragte Vaire mit nervöser Stimme, »wie soll dieses Experiment eigentlich ablaufen? Wir können wirklich nicht zulassen, daß der Kleine womöglich zu Tode erschreckt wird, nur weil – nun ja …« Verlegen sah sie auf ihre Mutter.
    »Vaire, du kannst mich heute Abend nicht beleidigen«, sagte Mrs. Nordmeyer. »Heute Abend werden wir den Beweis dafür bekommen, daß ich recht habe.«
    Ihr langes, reizloses Gesicht war schmaler, als ihre Tochter es je gesehen hatte, und ihre Lippen lächelten nicht, obwohl sie an den Mundwinkeln leicht hochgezogen waren. Es war, als hätte ihre Mutter sich von den Lebendigen zurückgezogen, dachte Vaire und verspürte ein Frösteln in der heißen, schwülen Augustdämmerung.
    »Es besteht keinerlei Gefahr für das Kind«, versicherte Mr. Sangrom mit seinem starren Lächeln. »Ich bitte lediglich darum, daß Mrs. N. und mir gestattet wird, einige Fragen über den schrecklichen Vorfall zu stellen, der seinen Kulminationspunkt in der Ermordung von Mr. Nordmeyer fand.«
    »Ich finde, da sollten Walter und ich dabeisein«, bemerkte Vaire.
    »Aber selbstverständlich, Mrs. Woodson«, erwiderte Mr. Sangrom. »Ihre Anwesenheit ist wesentlich. Schließlich ist es ja Ihre Skepsis, der wir beizukommen suchen.«
    Vaire war erleichtert, dachte aber im stillen, wenn dieser Sangrom jetzt auch noch dazu überging, sie Mrs. W. zu nennen, dann würde sie ihm die Kaffeetasse ins Gesicht schleudern. Sie sah Walter an, der sich nüchtern und realistisch gab, und dachte, daß wenigstens seine Stärke und Gelassenheit von alledem, was hier vorging, unerschüttert blieb. Aber er hatte ja auch nichts gesehen. Und sie spürte, wie ihre eigenen Reserven an Stärke und Liebe zu Robert dahinschmolzen.
    Es war gegen acht, Schlafenszeit für die Kinder, als Mr. Sangrom sich erhob und verkündete, er sei bereit, mit der Befragung zu beginnen. Nachdem Vaire Anne eiligst zu Bett gebracht hatte, führte sie Robert im Nachthemd herunter und bat ihn, sich zu Tante Cat und Mr. Sangrom an den Tisch zu setzen. Robert lächelte Tante Cat zu und blickte dann auf den dürren, dunkelhaarigen Mann mit dem aufgeklebten Lächeln, der aufstand, als er eintrat, und sich an die andere Seite des Tisches setzte, so daß er dem Jungen direkt ins Gesicht sah.
    »Wenn Sie jetzt die Deckenbeleuchtung ausmachen würden, Mrs. Woodson«, sagte Sangrom leise, während er Robert im Auge behielt, als hätte er Angst, er könnte verschwinden. »Ich möchte nur das eine Licht da haben, die Lampe auf dem Sideboard, wenn es Ihnen recht ist«, fügte er hinzu und wies auf eine verschnörkelte Lampe, die hinter ihm stand. Somit leuchtete, von Robert aus gesehen, das einzige Licht im Raum hinter Mr. Sangroms Kopf.
    »So, junger Mann«, begann Mr. Sangrom mit etwas schneidender, aber gütiger Stimme, »du brauchst keine Angst zu haben. Wir wollen dir nur ein paar Fragen über den Tag stellen, an dem die wilden Männer zu euch ins Haus kamen.«
    Robert saß auf dem großen Gesundheitslexikon, so daß er sich richtig groß vorkam. Seine Pupillen weiteten sich im Dämmerschein des Speisezimmers. Ja, er konnte sich sehr deutlich an jenen Tag im Eßzimmer des Bauernhauses erinnern, als er am Tisch gesessen und gewartet hatte, während die Männer

Weitere Kostenlose Bücher