Werwelt 01 - Der Findling
drückte und große Mengen von Blut hochzog, die er teilweise ausspie, teilweise hinunterschluckte.
Anne hätte sich lieber um Robert gekümmert, als weitergespielt, aber Willie hielt sie fest und tat etwas, was sie gar nicht schön fand. Er keuchte ganz schrecklich und machte immer weiter, drückte sie fest hinunter, während sie sich unter ihm wand, und Robert wollte eben sagen »hör auf!«, als Anne aufschrie, als hätte sie etwas gestochen. Willie fuhr rasch zurück und griff nach seinen Kleidern.
»Du gehörst nicht zu unserer Bande, du blödes kleines Luder«, fauchte er. Er stieg in seine Hose, stopfte das Hemd in die hintere Tasche und sprang aus der Höhle ins Wasser des Abflußrohrs.
Anne weinte und hielt ihre Beine fest zusammengepreßt. Robert wartete, bis sie an sich hinunter zwischen ihre Beine sah. Er schaute auch.
»Oh, Anne«, sagte er erschrocken, »du blutest auch.«
Wieder blickte Anne an sich hinunter, dann machte sie sich daran, ihre Sachen zusammenzusammeln. Sie hörte auf zu weinen, aber ihre Lippen waren zusammengekniffen vor Schmerz, und ihr Gesicht war weiß. Roberts Nase hatte aufgehört zu bluten, doch durch das verschmierte Blut und die Schwellung sah sein Gesicht schlimm aus. Anne zog sich an. In ihrem weißen Höschen war Blut, als sie später nachsahen, aber die Wunde hörte auf zu bluten, ehe sie zu Hause waren.
Sie liefen durch die Gasse zum Garten, als Robert an die »Schwüre« dachte, die sie geleistet hatten.
»Ich mag Willie nicht mehr«, sagte er. »Und er hat uns allen beiden weh getan. Ich glaube, da gelten die Schwüre jetzt nicht mehr.«
»Ich verrat nichts«, versetzte Anne.
»Denk dir nichts«, meinte Robert, als sie am Gartentor stehen blieben. »Aber mir tut’s trotzdem leid, und wenn du’s sagen willst, dann sag’s ruhig.«
Robert fühlte sich niedergeschlagen, und seine Nase tat weh, und er sah Anne an und fragte sich, ob sie auch solche Schmerzen hatte. In diesem Augenblick wünschte er, er wäre so groß wie Willie, weil er nichts lieber getan hätte, als Willie kräftig zu verprügeln.
Wenn Mr. Sangrom mit Tante Cat an einem anderen Abend zu Besuch gekommen wäre, dann hätte Vaire das Blut in dem kleinen weißen Höschen vielleicht sofort gesehen. So aber war die Familie in einem spannungsgeladenen Gespräch, als die Kinder kamen, und alle waren gereizt. Sie befanden sich alle im Wohnzimmer – Walter, der an diesem Freitag früh von der Arbeit gekommen war, Vaire und ihre Mutter, die einander mit einer Distanziertheit begegneten, die sie früher nicht gekannt hatten, und schließlich der ölig höfliche Mr. Sangrom, der etwas von einem Bestattungsunternehmer hatte und auf dem Gesicht unter dem schwarzen, glänzenden Haar, das Robert an einen frisch polierten Autokotflügel erinnerte, ein ewiges dünnes Lächeln trug.
Anne und Robert erhielten Weisung, sofort nach oben zu gehen, sich zu waschen und umzuziehen. Walter warf einen flüchtigen Blick auf Roberts Nase und erklärte, es sei nicht weiter schlimm, worauf er Robert einen scherzhaften Nasenstüber versetzte, bei dem dieser gequält das Gesicht verzog.
Mit einem spiritistischen Medium, wie Mr. Sangrom sich selbst bezeichnete, zu Abend zu essen, war nicht das, was Walter sich unter einem vergnüglichen Abend vorstellte. Der Mann schien keines anderen Gesichtsausdrucks als dieses verwünschten Lächelns fähig, und es lag auf der Hand, daß er sich mit irgendeinem gerissenen Trick bei Mrs. Nordmeyer lieb Kind gemacht hatte. So etwas brachte Walter immer in Rage, denn er konnte Leute nicht ausstehen, die versuchten, mit Geistern und spiritistischen Sitzungen und diesem ganzen Hokuspokus Geschäfte zu machen. Mr. Sangrom schien sich recht wohl zu fühlen, häufig jedoch wanderte sein Blick zu Robert hinüber, der an der anderen Seite des Tisches saß und aß, so gut er konnte, obwohl seine Nase beim Kauen schrecklich weh tat. Er merkte, daß die Erwachsenen sich an diesem Abend eingehender als sonst für ihn zu interessieren schienen. Besonders Tante Cat und der fremde Mann starrten ihn jedesmal an, wenn sie glaubten, er sähe es nicht. Nach einer Weile begann er, sich unbehaglich zu fühlen, und noch ehe die anderen fertiggegessen hatten, bat er, aufstehen zu dürfen. Walter erlaubte es ihm und fügte beinahe, als wäre es nicht weiter wichtig, hinzu: »Bleibt aber nach dem Abendessen hier, Kinder.«
Nachdem die beiden in Annes Zimmer hinaufgegangen waren, um zu spielen, servierte Vaire den
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