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Werwelt 01 - Der Findling

Werwelt 01 - Der Findling

Titel: Werwelt 01 - Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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unverwandt auf Betty gerichtet, die am Treppenpfosten stand und immer wütender wurde, weil das, was er getan hatte, offensichtlich geplant gewesen war. Charles blieb auf der untersten Stufe sitzen, zum Teil, weil er so benommen war, zum Teil, weil es peinlich gewesen wäre, aufzustehen.
    »Charles«, sagte Alfred mit leiser, bedrohlicher Stimme. »Du hast etwas verloren.«
    Er zog die Fliege aus Bettys Ausschnitt und warf sie Charles in den Schoß.
    Betty wich bestürzt einen Schritt zurück, als er das tat, und richtete ihren ganzen Zorn auf Alfred.
    »Das hast du mit Absicht getan, Alfred«, rief sie, ihm entgegentretend. »Bei unseren Spielen willst du nicht mitmachen, und mir willst du auch jeden Spaß verderben. Du bist gemein, Alfred, du bist einfach ekelhaft.«
    Betty strich sich mit einer heftigen Bewegung das Haar aus den Augen, eilte ins Wohnzimmer, sagte »entschuldigt mich« zu ihren Gästen und verschwand im rückwärtigen Teil des Hauses. Die anderen Gäste waren jetzt aufgestanden, sprachen mit gesenkten Stimmen miteinander, blieben aber der Nische fern, wo Charles, der jetzt aufgesprungen war, Alfred gegenüberstand, dessen Züge Wut und geballte Energie ausdrückten. Alfred packte Charles bei seinem neuen weißen Hemd und zog den Jungen nach Starker-Mann-Manier zu sich heran.
    »Du bist dran schuld, daß Betty mir böse ist, du dämliche kleine Rotznase«, sagte er sehr bedächtig, »und was ich jetzt sage, ist nicht nur eine Warnung. Ich schwör dir, daß ich dich bei der ersten Gelegenheit, die sich mir bietet, auseinandernehme.«
    Er ließ Charles los und stampfte hinüber zum Garderobenschrank, aus dem er einen hellbraunen Kamelhaarmantel holte. Er schlüpfte in den Mantel und war zur Haustür hinaus, noch ehe Charles eine Erwiderung auf die Drohung einfiel.
    Damit kam das Fest zu einem jähen Ende. Die Gäste standen noch eine Zeitlang voll Unbehagen im Wohnzimmer herum, dann kam Mrs. Bailey und erklärte in traurigem Ton, daß Betty plötzlich heftige Kopfschmerzen bekommen hätte und leider gute Nacht sagen müßte. Mr. Bailey erschien im Mantel und erbot sich, diejenigen nach Hause zu fahren, für die der Weg zu Fuß zu weit war. Mehrere junge Leute nahmen das Angebot an; die Portola-Zwillinge wohnten gleich auf dem nächsten Hof und sagten, sie würden zu Fuß nach Hause gehen. Charles erklärte, er ginge gern im Dunklen spazieren und würde wirklich lieber zu Fuß gehen, und Mr. Bailey nickte, als verstünde er. Charles steckte seine Fliege in die Tasche und huschte vor allen anderen zur Haustür hinaus. Als er die Treppe hinunter in die kalte Nacht hinauslief, hörte er Flossie hinter sich etwas sagen, das wie ›warte doch!‹ klang, aber er tat so, als hätte er nichts gehört. Er wollte allein durch die frostige Dunkelheit laufen und nachdenken.
    Es ist eine ganz neue Erfahrung für mich, daß das Menschenwesen auf diese Weise mit mir spricht. Ich erinnere mich, daß Robert einmal einen Pakt mit mir schloß, und jetzt ist Charles zornig und führt einen Monolog, während er die schmale dunkle Teerstraße hinunterläuft, die vom Hof der Baileys zur Landstraße führt.
    »Das war wirklich nicht fair«, schimpfte Charles, die Hände zum Schutz vor der Kälte in den Taschen, »mich zu was zu verleiten, was ich nicht hätte tun sollen.«
    »Wir könnten uns verwandeln, dann wäre es wärmer«, schlage ich vor, obwohl es vielleicht im Moment nicht von Belang ist.
    »Ich spreche jetzt von einer ganz ernsthaften Sache«, sagt Charles. »Du hast mir geholfen, den Jungen da aus dem Fluß zu retten, und ich weiß, daß ich wahrscheinlich ertrunken wäre, wenn du’s nicht getan hättest, aber ich mag Betty unheimlich gern, und was du da im Flur angestellt hast, war wirklich nicht in Ordnung.«
    »Hatte denn das Mädchen was dagegen?« erkundige ich mich, während ich versuche, mich zu erinnern, was gesprochen worden ist, nachdem ich mich zurückgezogen habe.
    »Sie war wütend«, antwortet Charles.
    »War sie denn auf dich wütend?«
    »Klar, natürlich. Schließlich hab’ ich mich ja an sie rangedrückt wie verrückt und hab’ ihr Zungenküsse gegeben und sie überall angefaßt. Ganz klar, daß sie wütend war.«
    »Ich hatte den deutlichen Eindruck, daß es ihr gefiel.«
    »Du spinnst ja.«
    »Hat’s dir nicht gefallen?« frage ich, wohl wissend, daß es ihm gefallen hat.
    »Doch, natürlich, aber Mädchen sind eben anders. Sie mögen es nicht, wenn sie so aufgegeilt werden, jedenfalls die

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