Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
Vom Netzwerk:
wir unter dem Mond dahineilen, und wir lassen uns auf alle Viere fallen und sind schneller als der Wind, schlauer als der Fuchs auf der Fährte, stärker als die Bärin, die ihre Jungen verteidigt.
    Etwas kreischt mir in die Ohren. Ich bewege mich zu plötzlich, und der Schmerz reißt mich aus der Besinnungslosigkeit. Ich liege noch immer unter dem umgestürzten Baum, und Durst quält jede Zelle meines Körpers. Ich brauche Flüssigkeit. Ich werde es regnen lassen. Und ich merke, daß ich Tränen vergieße. Wieder versinke ich in Qual und Schwärze. Diesmal ist es die ganze Zeit finster, und die Finsternis ist schmerzdurchtränkt. Sehr vorsichtig sende ich meine Sinne zu den schmerzenden Stellen aus, zu jenen zunächst, wo der Schmerz am heftigsten bohrt. Die rasende Qual in der Gegend meines Herzens rührt von mehreren gebrochenen Rippen her, die bei jedem meiner Atemzüge mitschwingen. Und das eine meiner Hinterbeine ist gebrochen, doch die Bruchstellen klaffen nicht allzu weit auseinander. Diese Verletzung wird heilen, wenn ich es richtig anstellen kann. Der Vorderlauf. Ich kann den Mittelpunkt des Schmerzes nicht finden. Es fühlt sich an, als wäre der ganze obere Teil des Laufs zertrümmert, doch die Krallen kann ich noch bewegen. So schlimm also kann es nicht sein. Vielleicht eine beginnende Entzündung. Der andere Vorderlauf ist nahe beim Sprunggelenk gebrochen. Die Schmerzen sind hier nicht so quälend, doch es hat sich eine starke Schwellung gebildet, die bereits dazu beiträgt, die Knochen ruhigzustellen. Mein Rücken macht mir Sorge, doch wenn die Wirbelsäule gebrochen wäre, könnte ich Vorder- und Hinterläufe nicht bewegen. Ich kann es aber, wenn auch nur in beschränktem Maße. Ich bin nicht tot. Ich werde leben. Als erstes muß ich die Knochenbrüche richten.
    Ich verschließe mich und taste nach innen, um die Stelle zu finden, die scharfen Kanten an der inneren Wand des Brustkorbs. Der Schmerz führt mich. Ich finde die gesplitterten Enden. Drei Rippen müssen ruhiggestellt werden, denn sie bewegen sich bei jedem meiner Atemzüge, durchbohren mich jedesmal, wenn ich versuche, mich zu bewegen. Ich konzentriere mein Bewußtsein auf die Rezeptoren in den Muskeln rund um die größte Rippe, bis jeder einzelne Muskelstrang frei ist und unter der schockartigen Einwirkung des Schmerzes lose herabhängt wie ein Strang feuchter Wolle. Vorübergehend ziehe ich mich zurück, um den anderen Schmerz einzudämmen, soweit mir das möglich ist. Er verebbt unter der Kraft meines Willens, und ich stelle die Schmerzempfindung rund um die große Rippe schärfer ein. Der Schock betäubt mich eine Sekunde lang, doch jetzt kann ich die richtigen Muskelstränge finden, die dazu dienen können, die gebrochenen Knochen zusammenzuhalten. Sorgfältig richte ich sie ein. Ihre Bewegung vollzieht sich in einer gleißenden Flamme des Schmerzes, die ich jetzt beinahe ignorieren kann, so intensiv ist sie. Die Bruchstellen der Knochen treffen aufeinander, und ich spüre, wie sie sich knirschend aneinander reiben, als ich weitere Muskelstränge in einen Starrkrampf versetze, so daß sie sich ineinander verklammern. Der Schmerz der Muskelkrämpfe ist so winzig im Vergleich zu den anderen Schmerzen, daß er beinahe eine Erleichterung ist. Stück um Stück setze ich für die Rippen eine Schiene aus harten, starren Muskelsträngen zusammen, wobei ich den Hauptanteil der Atmung auf den anderen Lungenflügel verlege, so daß nur die unterste Spitze des linken Lungenflügels schwingt, wenn ich atme. Und dann kann ich eine Weile entspannen.
    Beinahe wäre der Tod jetzt eine Erlösung, geht es mir durch den Kopf, während die Wellen des Schmerzes über mir zusammenschlagen, der nun, da ich den Kräften meines Willens Entspannung gönnen muß, von neuem zurückkehrt. Doch der Durst treibt mich weiter. Ich verspreche meinem Leib Wasser, wenn er diese Aufgabe zu Ende führt. Ich muß den Hinterlauf schienen, sonst kann ich mich gar nicht von der Stelle rühren. Meine Konzentration taucht hinunter in den Oberschenkel. Ich finde den großen Knochen, gleite an ihm entlang durch zerfetztes, weinendes Gewebe hindurch. Der Aufprall muß sehr heftig gewesen sein, doch die Venen und Arterien sind nirgends ganz durchtrennt, und dort, wo sie verletzt worden sind, haben sie sich schon zusammengezogen und Notverschlüsse gebildet, die dicht halten und mich vor dem Verbluten bewahren. Ich taste mich weiter, bis ich auf winzige Knochensplitter stoße. Die

Weitere Kostenlose Bücher