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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Schritte.
    Ich habe es und halte es. Ich verwandle mich.
    »Vorsicht! Paß auf! Bei Gott, schau dir das an! Heiliger Himmel, ich hab schon gedacht, es hätt’ dich erwischt, Tyler. Hast du so gebrüllt? Geh bloß nicht zu nah ran! Allmächtiger!«
    Die lauten Stimmen steigen langsam in den Keller herab, während ich auf der Matratze zurücksinke und verzweifelt versuche, meinen Körper wieder unter Kontrolle zu bringen. Die Schmerzen sind von neuem unerträglich geworden, mein törichter Versuch zu fliehen hat den ganzen Heilungsprozeß zurückgeworfen. Mit Gewehren in den Händen steigen die Männer die Treppen herab, die von draußen und aus den oberen Räumen des alten Hauses kommen, doch ich nehme die Menschen kaum wahr, da ich mich ins Innere meines Leibes versenkt habe, um neuerlich die Blutungen zu stoppen, jene Bruchstellen, die noch nicht verheilt sind, mit stützenden Muskelsträngen zu umgeben, die Schwellungen und inneren Schäden, die noch vorhanden sind, unter Kontrolle zu bekommen. In dem Maß, in dem ich wieder Gewalt über meinen Körper gewinne, lassen die Schmerzen nach. Ich hatte vergessen, wie wenig Macht der Mensch über seinen Körper hat, und beinahe hätte mich die Verwandlung getötet, ehe ich wieder in meine natürliche Gestalt schlüpfen konnte.
    Ich keuche vor Anstrengung und ausgestandener Qual, und allmählich nehmen die Männer Gestalt an, die jetzt im Keller rund um mich herumstehen. Jeder Weg der Flucht ist mir durch ihre auf mich gerichteten Gewehre versperrt. Und auch auf der Treppe stehen Männer, verdunkeln die Morgensonne, und die Ausdünstung ihrer Angst steigt mir beißend in die Nüstern. Ich kehre wieder in die äußere Wirklichkeit zurück, betrachte sie aus den Augen meiner natürlichen Gestalt und taste sie mit allen meinen Sinnen ab. Wenn sie mich jetzt töten wollen, dann wird sie nichts hindern, denn ich habe keine Kraft, mich gegen sie zu wehren, verspüre eigentlich nur noch Neugier, was sie wohl vorhaben.
    Sie stehen um mich herum. Ich liege zusammengerollt auf der alten blutigen Matratze. Es ist ein absurdes Bild. Versuchsweise sende ich meinen Willen aus, befehle einem Mann, sein Gewehr niederzulegen. Ein Ausdruck der Leere legt sich über sein Gesicht, die Büchse in seiner Hand senkt sich, entgleitet fast seinen Fingern. Doch dann gebe ich ihn frei, denn ich will jetzt nicht meine Macht erschöpfen, es sind der Männer zu viele hier, um sie einzusetzen. Mit meinem Raumsinn überfliege ich den Kreis der Menschen. Angstvolle Augen hinter den Gewehren, Strohhüte, Polizeimützen, keine Hüte, grimmige Münder, unrasierte Wangen, kantige Gesichter, breite Schultern, hier ein fetter Wanst, dort spindeldürre Beine, Arbeitsanzüge, Reithosen, Stiefel, Arbeitsschuhe, Kuhmist am Hosenaufschlag des einen, ein offener Schnürsenkel bei einem anderen, dort ein Ledergürtel mit Messingschließe, hier eine Hose mit durchgewetzten Knien. Ich rolle mich noch fester zusammen und drehe mich zur Wand. Ich werde es nicht versuchen. Ich will es darauf ankommen lassen und hoffen, daß ihre Neugier größer ist als ihre Furcht.

3

    Daß mir jetzt bloß keiner auf das Vieh schießt! Höchstens wenn’s angreift oder abhauen will. Das hier ist mein Land, und das Vieh gehört mir.« Die Stimme kommt von dem Fettwanst mit dem Strohhut. Wieder sende ich meine Sinne aus, um den Kreis der Männer abzutasten. Der Fettwanst wagt einen winzigen Schritt weiter vor, um sein Landrecht geltend zu machen. Die anderen sind in diesem Augenblick willens, es anzuerkennen. Zu fremdartig und zu schrecklich ist dieses Geschöpf, das sie gefangen haben, und keiner von ihnen kann sicher sein, daß es nicht im nächsten Moment brüllend aufspringt und einen oder mehrere von ihnen zerreißt. Es gab einmal eine Zeit, da hätte ich vielleicht genau das getan. Jetzt weiß ich, daß es sicherer ist, ganz still liegen zu bleiben, beinahe wie in Trance, damit weder seelische noch körperliche Anstöße meine Reflexe auslösen. Mit meinen schweren Verletzungen bin ich noch immer beinahe hilflos, und jeder Versuch einer raschen Bewegung würde den Tod bedeuten oder zumindest überwältigenden Schmerz und gefährliche Blutungen.
    »Wenn’s auf mich losgeht, feuere ich aus beiden Rohren«, sagt der Mann in der verblichenen Hose mit den durchgewetzten Knien.
    »Mir scheint, du hast dir da einen Riesenbatzen Bärenfleisch eingefangen, Otis«, sagt der mit Reithose und Polizeihut. »Vorläufig wird’s bestimmt nicht

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