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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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sich mit ausgebreiteten Armen springen, und dann … Doch das gehörte nicht hierher.
    Die Tür zu Renees Zimmer war geschlossen, als er vorüberkam. Er ging den Flur hinunter bis zum hinteren Zimmer und setzte sich dort an den Schreibtisch, wo massig, schwarz und unzugänglich in ihrer Ruhe die Schreibmaschine Marke Underwood wartete.
    Dieses Haus knarrte nie so wie die Häuser oben im mittleren Westen, ging es ihm durch den Sinn, während er zusah, wie der bläuliche Schein in den Fenstern sich vertiefte und sich in einem lichten Rosa entzündete, als die Morgendämmerung den Tijeras Canyon und das Rio Grande Tal mit ihrem Strahlen überflutete.
    Er würde noch ein Darlehen aufnehmen müssen. Auf dem Schreibtischstuhl mit der durchbrochenen hölzernen Lehne zog Barry die Beine an und umschlang sie mit den Armen wie ein Kind. Nun, einmal hatte er es bereits getan, und jetzt würde er es eben wieder tun müssen, damit sie bis zum Ende des Monats leben konnten. Jeder Cent, schwor er sich, jeder Gott verdammte Cent wird zurückgezahlt. Noch einmal zählte er sie im Geiste auf: Der Entwurf für den Esquire, das Honorar für die Besprechungen im Library Monthly und in der Saturday Review, der Gehaltsscheck vom Journal, die Geschichten an die Zeitschriften, von denen er noch nie gehört hatte, Thrilling Wonder, Amazing und – er lächelte – dieses blöde Ding an Ranch Romances. Wenn das gedruckt wurde, würde er um ein Pseudonym bitten.
    Dennoch war das Darlehen nicht zu umgehen. Sie waren schon wieder pleite. Er neigte den Kopf nach hinten und schloß die Augen. Nur ein wenig Zeit brauchte er, dann konnte er es allein schaffen, sich aus diesem halben Leben lösen, mit dem Tier ein Abkommen schließen, ihm die Nächte zubilligen, wenn es sich nur aus seinem wahren Leben heraushielt. Flüchtig erinnerte er sich des Amuletts, der verlorenen Sicherheit. Doch die Erinnerung sagte ihm nichts, sie war wie Traum und schmerzte ihn nicht. Wieder stellte er die quälende Frage, warum bin ich nur ein halber Mensch, doch er hatte sie schon zu oft gestellt. Er wandte sich der Schreibmaschine zu.

    »Ich möchte auf den Klappsitz.« Mina kletterte schon auf das kleine eiserne Trittbrett am hinteren Kotflügel des Ford, um den Sitz zu erklimmen. Automatisch hob Barry sie hoch und setzte sie auf das braune Polster.
    »Aber schön den Kopf unten halten, Mina«, sagte er.
    »Es ist gefährlich, wenn sie ganz allein da hinten sitzt«, bemerkte Renee, doch sie stieg ein und schlug die Tür des Model-A heftig zu.
    Sie schaukelten die Schotterstraße hinunter zur Denanes Road, die, wie Montova versprochen hatte, demnächst asphaltiert werden sollte, und dann weiter zum Rio Grande Boulevard, der immerhin notdürftig gepflastert war, bogen schließlich nach Süden ab. Es war ein strahlend blauer Tag wolkenlos bereits am Vormittag, und dort, wo die Sonne die Haut traf, brannte sie heiß, doch im Schatten konnte man noch die Kühle des Junimorgens genießen. Renee saß halb nach rückwärts gewandt, Mina im Auge. Barry warf einen verstohlenen Blick auf seine Frau, sah wie zum ersten Mal das zarte Weiß ihrer Haut, die sie mit breitkrempigen Hüten vor der Sonne schützte, weil sie leicht einen Sonnenbrand bekam. Er betrachtete die feingezeichneten Konturen ihres Gesichts mit den hohen Wangenknochen, die ihr etwas Eurasisches gaben, das schwarze Haar, das die weiße Haut umrahmte. Sie könnte, dachte er, sogar indianisches Blut haben, wäre nicht die nordische Zartheit und Helligkeit ihres Teints gewesen. Sie fuhren durch die Altstadt in das neuere Geschäftsviertel, am Terrassenbau des El Fidel Hotels vorbei und weiter bis zum neuen Bankgebäude.
    »Ihr könntet doch die Silberdollars vor Maisel’s aufheben, wenn ihr Geld braucht«, sagte Mina, als sie auf der schattigen Seite der Straße zur Bank gingen.
    »Die kriegt man bestimmt nicht hoch«, bemerkte Barry lächelnd zu Renee.
    »Aber ich weiß jemanden, der das könnte«, erklärte Mina und blickte Barry von der Seite an.
    Ohne zu überlegen, fragte er: »Wer kann denn so stark sein?«
    »Ach, das weißt du doch«, erwiderte Mina und blickte zu ihrer Mutter hinauf, die dem Gespräch nur schwaches Interesse entgegenbrachte.
    »Die Dollars würden leider auch nicht reichen, um neue Reifen für das Auto zu kaufen und diesen Monat die Miete zu zahlen«, sagte Barry und wandte den Kopf ab, um dem Gespräch ein Ende zu machen.
    Er hatte eine verschwommene Erinnerung an das nächtliche

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