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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Luceros eins-vier-zwei-null.«
    »Ja, selbstverständlich.« Er wandte sich dem Schalterbeamten zu, der wartend dastand. »Geben Sie Mr. Golden zweihundert Dollar in kleinen Scheinen bitte. Ich schreibe die Quittung aus.«
    Der Schalterbeamte nickte und ging davon, um gleich darauf mit einem Bündel von Fünfern, Zehnern und Zwanzigern zurückzukehren.
    »Bitte sehr, Mr. Golden«, sagte der Kassierer. »Wir sind immer zu ihren Diensten.«
    »Besten Dank«, erwiderte Barry, steckte das Geld ein und machte sich auf den Weg zum Haupteingang.
    Die Kraft rann jetzt wie Sand aus jeder Pore seines Körpers. Der Druck ist zu groß, dachte er, während er sich an die Marmorwand neben der Tür lehnte. Alle Wut war jetzt aus ihm gewichen, sein Gesicht war bleich und feucht. Er hatte das Gefühl, als müßte er sich gleich übergeben, so sehr hatte es ihn angestrengt, die Zusammenballung der Kraft zu erzwingen. Wenn er sich in natürlicher Erregung befand, nicht in künstlich erzeugtem Zorn, dann ging es leicht; aber so nicht. Er taumelte und stieß mit einer dicken Indianerin zusammen, deren Arme mit silbernen Reifen behangen waren, und die einen Beutel voller Perlen trug.
    »Wollen Sie Silber kaufen?«
    »Lieber Himmel, nein. Verschwinden Sie.« Barry stützte eine Hand gegen die Mauer und tappte schwankend wieder um das Gebäude herum zur Hintergasse, wo er sich auf eine Mülltonne setzte, bis sein Atem wieder ruhig ging.
    »Das kann ich nicht noch mal machen«, sagte er laut. Und was, wenn der Kassierer sich erinnerte? Was, wenn die Kraft nicht stark genug gewesen war? Ich kann in einem solchen Moment nicht lügen, dachte er, es ist zu schwer, alles zusammenzuhalten. Es ist wie – und er unterbrach sich in seinen Gedanken, denn er wußte, wie es war. Oder besser, das Tier wußte, wie es war, und er spürte, wie es jetzt in seinem Inneren wartete, nachdem es von der Wut heraufbeschworen worden war. Es wartete zu sehen, was Barry tun würde, ob er mit den Gegebenheiten fertig werden würde, oder ob es – das Tier – würde emportauchen müssen, um sich selbst zu retten. Das war es, erkannte Barry schwach vor Abscheu, was er fürchtete. Dieses Schicksal, das geringer war als der Tod, das Ausgelöschtwerden, das ihn, wie er wußte, erwartete, wenn die Gefährdung des Überlebens allzu groß wurde. Tief und zitternd holte er Atem, sog den Gestank des Mülls aus dem Restaurant hinter der Bank ein, den Teergeruch irgendeines Daches, das repariert wurde, die Ausdünstung der alten Indianerin, die seinen Arm gepackt hatte, den Schweißgeruch seiner eigenen Angst.

2

    Liebste Vaire, um gleich Deine letzte Frage zu beantworten – ich glaube, ich werde mir hier draußen noch lange fremd vorkommen, obwohl wir jetzt schon drei Monate hier sind und seit fast zwei Monaten unser Haus haben. Es ist ein wunderschönes altes Haus, für hiesige Verhältnisse jedenfalls, obwohl es eigentlich aus Lehm oder so etwas ähnlichem gebaut ist. Wir fühlen uns noch immer alle wie Einwanderer in einem fremden Land, Mexiko wahrscheinlich. Ich glaube, es wäre fast besser, wenn es wirklich Mexiko wäre. Die Leute, die hier im Nord-Tal rund um uns herum wohnen, sind alle spanischer Herkunft, mit Namen wie Ochoa, Gutierrez, Jaramillo, wobei Du nicht vergessen darfst, daß J wie ein Ch und das Doppel-L wie ein J auszusprechen, sonst wirst Du ausgelacht. Aber sie tun so, als lebten sie in Amerika, und das läßt uns weiter hoffen, daß es eines Morgens, wenn wir aufwachen, wirklich Amerika sein wird, und daß dann die Leute nicht mehr in ihrem schrecklichen spanischen Kauderwelsch hinter unserem Rücken klatschen und unsere Gartengeräte und Minas Spielsachen stehlen, wenn wir sie im Garten lassen – ganz ungeniert, am hellichten Tag! So, da hast Du’s. Du hast gefragt, wie es hier ist, und so sehe ich es. Nein, guter Dinge bin ich eigentlich wirklich nicht. Meistens bin ich schlecht gelaunt.
    ›Mina spielt unten in der Höhle, die sie sich mit dem kleinen Nachbarjungen am Bewässerungsgraben gebaut hat. Vom Fenster aus, wo ich jetzt sitze und schreibe, kann ich sie sehen. Sie ist ein Sonnenschein für uns, und für mich natürlich immer. Manchmal denke ich, sie gibt mir mehr Kraft, als man von einem anderen Menschen und gar von einem Kind verlangen kann.
    ›Ach, Vaire, siehst Du, jetzt jammere ich schon wieder, genau wie früher, als wir noch zur Schule gingen und ich mit Miß Busch nicht zurechtkam. Da hast Du mir immer aus reinem Mitleid meine

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