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Werwelt 02 - Der Gefangene

Werwelt 02 - Der Gefangene

Titel: Werwelt 02 - Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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Aufsätze geschrieben. Aber weißt Du, eigentlich geht es uns gut, und ich glaube, Barry ist vielleicht endlich auf dem Weg zum Erfolg. Er schreibt Geschichten, die er an Zeitschriften verschickt, macht hin und wieder Besprechungen und hat eine feste Anstellung als Redakteur bei der Lokalzeitung hier.
    Aber er ist schrecklich rastlos, weil er unbedingt zu den ganz Großen gehören will. Und er findet, daß das Journal ihn nicht angemessen bezahlt, obwohl sein Chef sehr viel Verständnis hat. Mit Barrys Chef und seiner Familie waren wir letzte Woche oben in den Sandias bei einem Picknick. Du kannst Dir nicht vorstellen, was für eine atemberaubende Pracht das ist, wenn man da oben in über dreitausend Meter Höhe praktisch am Rande des Nichts steht, wo die letzte gewaltige Felsspitze in einen violetten Himmel hineinragt und immer ein kühler Wind geht. Da oben bläst es die ganze Zeit, so daß die kleinen Krüppelbäume alle ganz schief stehen, vom Wind gekrümmt, mit starren Ästen, die alle in eine Richtung zeigen wie stromlinienförmige Flügel. Ich hab ein Foto von Barry gemacht, wo er auf einem Ast sitzt, der über einem Abgrund von bestimmt hundert Metern hinausragte, und hinter ihm liegt das weite Land ausgebreitet bis zum Horizont. Es war wirklich wunderschön, in den Wäldern haben wir Rehe gesehen, und dann sind wir den Grat entlanggewandert, obwohl es in diesen Höhenlagen nicht lange dauert, bis man müde wird. Frank und Judy Rossi sind feine Menschen, und es ist schön, mit ihnen befreundet zu sein.
    ›Ich habe wirklich ein Talent, immer wieder abzuschweifen, nicht wahr? Dabei wollte ich Dir doch eigentlich schreiben, daß ich mich allmählich wirklich hier eingewöhne. Das Leben ist billig, nur Gemüse und Obst nicht, weil das Bewässerung braucht. Hier sind überall Bewässerungskanäle. Manchmal frag’ ich mich, was passieren würde, wenn irgendwo mal Wasser durchsickern würde. Die Böschungen von den Gräben sind nämlich beinahe so hoch wie unser flaches Dach. Da müßten wir wahrscheinlich alle hinauslaufen und unsere Finger auf die undichten Stellen halten, damit wir nicht weggeschwemmt werden. Aber so viel Wasser ist gar nicht im Rio. Das, was die Leute hier einen Fluß nennen, ist ein Witz, ein ausgetrockneter Graben in der Wüste und sonst gar nichts.
    ›Im allgemeinen läuft mein Tag ungefähr so ab: Nach dem Frühstück fährt Barry zur Arbeit, dann denke ich mir für Mina irgendeine Beschäftigung aus, die nicht in Chaos ausarten kann, danach spüle ich das Frühstücksgeschirr und mache die übliche Hausarbeit und dann überlege ich, ob ich an den Vorhängen weiternähe, die ich für diese wunderschönen alten Fenster hier mache, oder ob ich lieber die Farbe abkratzen soll, mit der diese Schwachsinnigen, die vor uns hier gewohnt haben, die ganze Steinmauer vom offenen Kamin beschmiert haben. Wenn bei der Zeitung nichts zu tun ist, sitzt Barry meistens hinten in seinem kleinen Arbeitszimmer, und Mina und ich verziehen uns, so weit es möglich ist, oder wir sind ganz leise, damit er sich konzentrieren kann. Solange wir ihn auf der Schreibmaschine hacken hören, wissen wir, daß es gut läuft. Aber wenn das Klappern aufhört, sind wir mucksmäuschenstill. Abends, wenn es kühler wird und der Wind – und manchmal auch der Staub – sich gelegt hat, koche ich das Essen und warte auf Barry. Es ist alles ganz schön, wenn ich auch viel an Zuhause denke. Ich hab’ Heimweh, Vaire, ich habe viel mehr Sehnsucht als ich dachte nach grünen Wiesen und Flüssen mit glitzerndem Wasser und kräftigen Regenschauern. Aber ich bin auch froh, daß wir hier draußen sind, weil ich noch immer entsetzliche Träume von Bill habe. Er müßte über den halben Kontinent reisen, um hierher zu kommen, und ich glaube nicht, daß er fähig ist, soviel Energie aufzubringen. Er tut mir wirklich leid, aber ich kann es ihm nicht verzeihen, daß er sich selbst kaputtmachen wollte und uns dazu. Ich bin keine fordernde Frau. Ich verlange von Barry nicht, daß er so schwer arbeitet, und er tut es trotzdem, der Ärmste. Aber einen Menschen, der ein Leben einfach wegwirft wie Bill, nur weil nicht alles so gegangen ist, wie er es sich vorgestellt hat, kann ich einfach nicht verstehen. Mina spricht jetzt überhaupt nicht mehr von ihrem Vater. Barry versteht es wirklich, ihn ihr zu ersetzen, er spielt mit ihr und nimmt sich Zeit für sie, er ist einfach in jeder Hinsicht ein guter Vater. Nur in der letzten Zeit hat er viel zu

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