Werwelt 02 - Der Gefangene
sehr gescheit, und wenn Barry uns nicht finden kann, dann findet uns die Miezekatze ganz bestimmt.«
»Wie sieht sie denn aus, Mina?« fragte Renee, während sie sich auf dem alten knarrenden Bett ausstreckte und die Augen schloß. Sie war erschöpft von der vielen Arbeit, die sie für diese Männer da draußen tun mußte. Sie waren jetzt alle unten in der anderen Hütte. Nur einen Wachtposten hatten sie zurückgelassen.
»Du hast sie doch gesehen, Mami«, erwiderte Mina schläfrig.
»Daran kann ich mich gar nicht erinnern«, versetzte Renee zerstreut.
»Du weißt doch, sie war da in dem Käfig.«
Renee begriff. Daher also hatte Mina ihre imaginäre Miezekatze. Ihre Gedanken wanderten zurück zu jener Zeit, als sie geglaubt hatte, Barry wäre entweder tot oder für immer von ihr gegangen. Sie durchlitt noch einmal die schrecklichen Tage, als sie hin und her überlegt hatte, ob sie es noch einmal mit Bill versuchen sollte, obwohl sie genau gewußt hatte, daß er sich niemals ändern würde, daß er nur immer schlimmer werden würde, wie das ja offensichtlich auch geschehen war. Sie dachte an den Tag, an dem sie und Vaire sich den ausgebrochenen Bären angesehen hatten, den irgendein Bauer eingefangen hatte. Die Erinnerung an das Tier in dem großen eisernen Käfig hatte beinahe etwas Traumhaftes. Was für ein wunderschönes Fell das Tier gehabt hatte! Dann hatte es den Kopf gehoben, diesen seltsamen gerundeten Kopf mit der langen Schnauze, die voll scharfer Zähne war, und mit diesen intelligenten Augen. Mina hatte erklärt, das Tier sähe aus wie eine große, gescheite Miezekatze. Hatte sie in diese Augen geblickt? Ja, sie hatten ja sehr nahe am Käfig gestanden. Sie hatte dem Tier direkt ins Gesicht geblickt, als der junge Mann gekommen war und ihnen befohlen hatte, wieder hinter das Seil zu treten. Die Augen hatten sie an etwas oder an jemanden erinnert. Und auf Mina also hatte das Tier einen so starken Eindruck gemacht, daß sie es sich zum imaginären Freund erkoren hatte. Das arme kleine Ding. Erst die Trennung der Eltern, und jetzt das. Ganz gleich, was geschah, sie mußte vor Schmerz und Kummer bewahrt werden, so gut es ging. Und flüchtig dachte Renee noch an etwas anderes, das ihrem Herzen nahe war, doch darüber wollte sie sich jetzt noch keine Sorgen machen, es hatte ja auch keinen Sinn.
Sie wachte augenblicklich auf, als Bill ins Bett kam. Sie war so angespannt und hellwach, als hätte sie überhaupt nicht geschlafen. Er drängte sich nahe an sie heran, und sie erstarrte, als er seinen Arm um sie legte und ihren Rücken streichelte.
»Rück jetzt ja nicht von mir weg«, flüsterte er, während er an ihrem Nachthemd zog.
»Was denkst du dir eigentlich?« zischte sie zurück. »Du hast mich einfach mit Gewalt von zu Hause fortgeschleppt, schlägst mich dauernd, wenn es dir gerade Spaß macht, wolltest mich sogar in aller Öffentlichkeit vergewaltigen. Und einmal hast du mich ja auch vergewaltigt, wenn’s auch in meinem Zimmer war.« Voller Haß gegen ihn rückte sie so weit wie möglich von ihm ab.
»Ach, das neulich in deinem Zimmer hat dir doch Spaß gemacht, gib’s doch zu«, versetzte er, während er seinen anderen Arm unter ihren Körper schob. »Ein bißchen Grobheit tut Frauen ganz gut.« Er zog ihren Körper an sich. »Romantische Liebe verlang’ ich ja gar nicht von dir. Ich will nur das, was eine Frau eben einem Mann zu bieten hat. Und du bist meine Frau.« Er begann, an ihrem Nachthemd zu zerren. »Du gehörst mit in die neue Ordnung. Du wirst meine Kinder gebären, um die neue Welt aufzubauen, und wirst wieder eine richtige Frau sein.«
Er wälzte sich auf sie.
Sie hörte das über seine Kinder und die neue Ordnung ohne sonderliche Emotion. Es bedeutete ihr nichts. Sie zog sich, so weit es ging, innerlich zurück, während sie stumm alles, was er mit ihr tat, über sich ergehen ließ. Sie gab nicht einmal einen Laut von sich, als er ihr weh tat, und das tat er, als er merkte, daß es ihm nicht gelang, irgendein Gefühl in ihr zu wecken. Dennoch machte er weiter, während sie darüber nachdachte, was für Möglichkeiten zur Flucht es für sie gab, und einmal, als er sie mit der Faust auf den Schenkel schlug, weil sie überhaupt nicht auf ihn einging, dachte sie sehr kühl darüber nach, wie es wohl sein würde, ihn zu töten.
Später schlüpfte das kleine Mädchen aus dem Rollbett, zog den Lederriemen an der Tür auf und schlich sich auf Zehenspitzen an den zwei schlafenden
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