Werwelt 02 - Der Gefangene
sehen, was sie wollten und ob das sein Lieblingsbeamter gewesen war, der da eben aus dem Haus gekommen war, woran er nicht zweifelte, dann aber gab er Gas, legte den zweiten Gang ein und brauste davon. Am Rio Grande Boulevard bog er nicht nach rechts, in Richtung zur Stadtmitte, ab, sondern fuhr geradeaus weiter und lenkte in die kleine ungeteerte Gasse neben einem niedrigen Lehmhaus hinein, wo er von der Straße aus nicht zu sehen war. Er stieg aus und blieb an der Hausmauer stehen, um den Rio Grande Boulevard im Auge zu behalten. Es dauerte kaum dreißig Sekunden, da erblickte er den schwarzen Ford mit dem roten Blinklicht. An der Einfahrt zum Rio Grande Boulevard kam der Wagen mit quietschenden Reifen zum Stehen, während die beiden Männer im Inneren miteinander gestikulierten und sich schließlich entschlossen, nach rechts abzubiegen. Das rote Licht blinkte fieberhaft, und die Sirene heulte auf, als der Wagen die breite Straße hinunterschoß.
Barry erkannte den dünnen Mann mit dem Cowboyhut, der neben dem Fahrer saß. Sein Lieblingspolizist wollte ihm offensichtlich etwas mitteilen, etwas, das so wichtig war, daß man ihm sogar mit Blinklicht und Sirene nachjagte. Als er den Blick von der Straße wandte, sah er unter der Tür der Lehmhütte ein kleines schwarzhaariges Mädchen mit einem schmutzigen Kleid stehen, das ihn neugierig musterte.
»Vielen Dank«, sagte Barry und hob seinen verbeulten alten Hut.
»Mil gracias, niña, para usar su – äh – Einfahrt«, schloß er etwas lahm mit einem Lächeln.
Sie gab ihm ein keckes kleines Lächeln zurück und verschwand wieder in der Hütte.
Anstatt zur Stadtmitte zu fahren, wandte sich Barry nach Norden, fuhr bis nach Almeda hinaus, dann über die 4. Straße zurück bis zu einer Schotterstraße, die nach Juan Tabo, einer Ortschaft im Vorgebirge, hinausführte. Er folgte dieser kleinen Wüstenstraße etwa zehn Meilen weit, fast bis zu den ersten Ausläufern des Vorgebirges, ehe er sich wieder nach Süden wandte und auf die US Sechsundsechzig zuhielt. Er wollte bei seiner Suchaktion nicht die verdammten Polizisten auf dem Hals haben, dachte er. Und schließlich hatte er ja offiziell keine Ahnung, daß sie hinter ihm her waren.
Die Fahrt über die östliche Mesa zur Sechsundsechzig war lang, und als er sie erreichte, befand er sich bereits fünf oder sechs Meilen außerhalb der Stadt. Zwei Navajofrauen hockten unter ihrem kleinen, aus Zweigen und Ästen gefertigten Sonnendach und boten ihre an Holzpfosten aufgehängten Teppiche feil, deren Farben im Sonnenlicht leuchteten. Sonst unterschied sich die Straße durch nichts von anderen Wüstenstraßen im Westen Amerikas.
An der letzten Tankstelle vor der Einfahrt in den Canyon hielt er an, um vollzutanken. Als er schon bezahlt hatte und gerade abfahren wollte, fiel ihm ein, daß er bei seiner Umfrage an den Tankstellen gar nicht so weit heraus gekommen war. Es war vielleicht verlorene Liebesmüh, aber es konnte nicht schaden, zu fragen.
Der Tankwart sah sich die Zeichnung von dem Enblem, mit dem Lowdens La Salle gekennzeichnet war, an und nickte. Er war ein kleiner, aufgeweckt wirkender Mann mit schwarzem lockigen Haar und einem Akzent, der verriet, daß er aus dem östlichen Teil der Vereinigten Staaten kam.
»Klar, an den Wagen erinnere ich mich. Ich fand das zum Lachen, ich mein, ein neuer La Salle, so eine teure Kiste, und dann das Zeichen von einem Spengler auf der Tür. Bei einem Bestattungsinstitut hätte ich das noch verstanden, aber so was für einen Spengler!« Er sah Barry an und lachte. »Würden Sie vielleicht einen Spengler anrufen, der in einem neuen La Salle durch die Gegend kutschiert?«
»Erinnern Sie sich zufällig an die Leute, die in dem Auto saßen, wieviele es waren, und wie sie aussahen?«
Barrys Mund war trocken, seine Füße tänzelten hin und her wie die eines Boxers, der im Ring steht.
»Ganz genau sogar. Ich hab’ nämlich ein gutes Gedächtnis für Sachen, die nicht ganz alltäglich sind. An den Burschen erinnere ich mich noch ganz genau, so ein großer massiger Kerl mit Stiefeln wie Clyde Beatty. Als sie alle wieder im Wagen saßen, hat er der Frau mitten ins Gesicht geschlagen. Ich hab’s ganz genau gesehen. Eine Klassefrau, sag ich Ihnen, eine ganz tolle Puppe. Die hab’ ich mir ganz genau angesehen, da können Sie sich drauf verlassen. Und ein kleines Mädchen hatten sie noch dabei, so dunkel wie die Mutter. Wirklich, die war eine echte Schönheit, und so eine Frau
Weitere Kostenlose Bücher