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Werwelt 03 - Der Nachkomme

Werwelt 03 - Der Nachkomme

Titel: Werwelt 03 - Der Nachkomme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Stallman
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holen.«
    Nachdenklich lauschte Bo diesen Ausführungen und versuchte, sie mit seinem Kindheitsglauben von Himmel und Hölle und einem wohlwollenden, aber gestrengen V a ter und einem erbarmungslosen Satan zu vereinen, der im glühenden Feuer der Hölle wartete. Er sah den anderen Mann an. Das bärtige Gesicht schien unverändert. Es war, als lebe Wiedemann nicht in der Zeit wie andere Me n schen. Er sah nicht müde aus, nicht anders als zwei Stu n den zuvor, als sie ihr Gespräch begonnen hatten.
    »Dann befinden sie sich an jenem Ort, den die Leute als Hölle bezeichnen?«
    »Würden Sie es nicht so beschreiben?« Der Bart öffnete sich leicht.
    »Doch, das ist wahr. Die Hölle könnte nicht schlimmer sein.«
    Der Abend verdunkelte sich zur Nacht, und das Feuer erstarb, und es funkelte keine Glut mehr unter der weißen Asche, während Wiedemann erklärte, wie man durch das Reich der Dämonen ins Land der toten Geister reisen kon n te. Er belehrte Bo auch darüber, wie man jenes Reich gän z lich meiden konnte, indem man seine Gedanken auf diese Welt gerichtet hielt und nur über ihre Oberfläche dahi n schwebte wie auf einem fliegenden Teppich oder in einem Flugzeug.
    »Auf diese Weise«, sagte er leise, während die Uhr unermüdlich tickte, »können Sie nicht angegriffen werden. Wenn natürlich«, meinte er mit einem Achselzucken, »die, die Sie suchen, sich tatsächlich nicht in dieser Welt aufhält, dann wird es Ihnen nicht gelingen sie zu finden. Ihr Wunsch, sie zu sehen, das Aussprechen ihres Namens wird sie nur in ziellose Wanderungen führen. Nach einer Weile werden Sie dann wissen, daß sie nicht länger bei uns weilt.«
    Bo war so müde, als die alte Uhr ein Uhr schlug, daß er das Gefühl hatte, die Dämonen würden ihn gleich hier, in Sols Haus, überfallen, wenn er auch nur noch eine Minute blieb; doch eines mußte er von diesem Mann noch wissen.
    »Ich habe versucht, eine Botschaft zu entschlüsseln«, sagte Bo. »Zumindest glaube ich, daß es eine Botschaft gewesen sein muß.«
    Er zog sein Notizbuch und einen Füllfederhalter heraus und machte eine Skizze des Steins, der den Ring in Lillys Hand geschmückt hatte.
    »Es war ein schwerer silberner Ring, eine indianische Arbeit«, erläuterte Bo, während er zeichnete. »In der Mitte war ein quadratischer Türkis. Der Stein hatte eine kleine Unreinheit, und ich hatte den Eindruck, daß gerade dieser Fehler wichtig war. Er sah so aus.«
    Wiedemann nahm das Blatt Papier das Bo ihm hinhielt, und sah sich die einfache Zeichnung an. Dann reichte er es zurück.
    »Sie können mir nichts darüber sagen?« fragte Bo en t täuscht.
    »Sie sind der einzige, der erfassen kann, was es meint«, sagte der bärtige Mann beinahe flüsternd. »Die Geister müssen manchmal in Symbolen oder in Parabeln sprechen. Es ist dann an dem am ähnlichsten Geist, die Botschaft zu entschlüsseln.«
    »Glauben Sie, es könnte ein Pfeil sein, der zur Mitte weist?«
    »So, wie Sie es gezeichnet haben, gleicht es einem Pfeil, ja«, erwiderte Wiedemann.
    Er drehte den Kopf und tat etwas Seltsames. Der Bart öffnete sich weit, und ein großes, rosiges Gähnen wurde sichtbar.
    Bo hätte beinahe gelacht, als er das Papier in seine T a sche stopfte.
    Auf dem Heimweg durch die kühle Frühlingsnacht, b e schloß er, noch einmal zu versuchen; Lilly in jenem gefäh r lichen Reich zu finden. Doch bei dem Gedanken an die Dämonen fröstelte er und blickte sich um, als wollte er sich vergewissern, daß er auf einer realen Straße unter den Ste r nen seines eigenen Universums dahinging.
    Dreimal versuchte Bo in der Folgezeit, seinen Körper zu verlassen, doch es gelang ihm nicht. Vielleicht, weil er Angst hatte. Einmal schlief er über seinen Bemühungen sogar ein und träumte nur, er wäre gereist. Der Traum war so anders, so verschwommen im Vergleich zum tatsächl i chen Erlebnis, daß er wußte, daß es ein Fehlschlag gewesen war. Beim vierten Mal wartete er, bis es sehr spät war, nach Mitternacht, und versuchte sich dadurch zu beruhigen, daß er Anweisungen auf ein Blatt Papier schrieb, das neben ihm auf dem Nachttisch lag. Er würde in dieser Welt ble i ben, lediglich über die Oberfläche der Erde reisen, so daß ihm aus dem Reich der Geister keine Gefahr drohen kon n te.
    Er brauchte seine ganze Konzentration für die Entspa n nungsübungen, doch als es ihm gelungen war, die Muskeln seiner Brust zu lockern, spürte er, daß er es diesmal scha f fen würde. Das Gefühl des Schwebens kam

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