Werwelt 03 - Der Nachkomme
hatte mit ihr sprechen können? Aber mit seinem Sohn hatte er doch auch gesprochen, und Charles war schon seit zwei Jahren tot.
»Ausgeschlossen«, sagte Wiedemann und trank einen Schluck Kaffee. »Der Astralleib kann über die Erde reisen oder unter gewissen Umständen das Reich der toten Seelen besuchen. Es scheint, daß Sie stets nur in das Reich der Geister gereist sind.« Er blickte Bo aus den großen dunklen Augen an, die wie tiefe schwarze Brunnen waren. »Intere s sant«, fügte er hinzu.
»Aber weshalb wäre sie denn dort?« murmelte Bo.
»Es gibt ein Mittel, das herauszufinden«, sagte der bä r tige Mann leise.
»Sie meinen, ob sie tot ist?«
»Richtig. Sie müssen vermeiden, das Geisterreich zu b e treten, ausschließlich in unserer Dimension reisen. Wenn sie auf dieser Erde lebt, werden Sie sie finden. Wenn nicht, werden Sie ins Geisterreich gezogen werden – und dort«, fügte er hinzu, während er sich vorbeugte und Bo fixierte, »dort müssen Sie äußerst vorsichtig sein.«
»Ja, ich weiß«, erwiderte Bo.
»Der Eingeweihte«, sagte Wiedemann, »kann den D ä monen Nahrung geben und mit gesteigerter Kraft aus dem Zusammentreffen mit ihnen hervorgehen. Der Unerfahrene kann sein Leben verlieren, weil er nicht weiß, wie er sie beherrschen kann.«
Ein merkwürdiger Abend. Das Gespräch wurde so ve r stiegen, daß Sol mehrmals zu seiner Frau hinüberblickte, die ihn ansah und die Augen verdrehte. Schließlich standen sie leise auf und zogen sich in ihre Zimmer zurück, um sich dort zu unterhalten, während die beiden Gäste sich weite r hin mit dem Astralleib und seinen Möglichkeiten beschä f tigten, die beiden Reiche zu bereisen.
»Der Astralleib wird ausschließlich von unserem de n kenden Geist beherrscht«, erklärte Wiedemann.
Er nickte, als Bo fragte: »Und wenn wir sterben?«
»Wenn das geschieht«, fuhr er fort, »unterliegen wir e i ner anderen Form von Kontrolle. Doch bis zu diesem Zei t punkt sind wir durch den Verbindungsfaden an unsere ird i sche Hülle gebunden.« Der bärtige Mann blickte auf, und Bo glaubte, wieder ein Lächeln entdecken zu können. »Man könnte diesen Faden mit der Nabelschnur des Fötus vergleichen.«
» Deshalb können wir so schnell zurückkehren«, sagte Bo.
»Ganz recht. Bei den Reisen ins Reich der Toten jedoch wird dieser Faden stark strapaziert. Die Aura muß zu allen Zeiten in ihrer ganzen Helligkeit erhalten bleiben, wenn man nicht von den Geschöpfen der Finsternis bedroht we r den will – von jenen Geschöpfen, die wir als Dämonen b e zeichnen.«
Bo dachte an jene schreckliche Nacht zurück. Er hatte so ungeheure Anstrengungen gemacht, um zu erkennen, was Lilly da in ihrer Hand hielt, und gerade in dem Moment, als er es klar gesehen hatte, war er in die Finsternis zurückg e schleudert worden. Er hatte sein Kraftreservoir zu tief g e schätzt – mir ist das Benzin ausgegangen, dachte er – und ist deshalb von Dämonen überfallen worden.
»Es gibt sie in einer Mannigfaltigkeit von Formen, und sie besitzen vielerlei Fähigkeiten«, sagte Wiedemann ger a de, als Bo ihm seine Aufmerksamkeit wieder zuwandte. »Und sie tragen viele Namen, Abaddon, Ashtaroth, Asm o deus, Beelzebub und so weiter, das ganze Alphabet hinu n ter. Aber sie haben nur ein Ziel.« Er machte eine Pause, beugte sich wieder vor, so daß sein Gesicht dem von Bo ganz nahe kam. »Einem die Lebenskraft zu rauben.«
»Sie meinen, die Seele?«
»So könnten Sie es nennen, wenn das auch für das, was sie Ihnen nehmen, eine falsche Bezeichnung wäre.« Er wischte sich mit der Hand über das Bein, als fühlte er sich allein schon bei dem Gedanken an die Dämonen b e schmutzt. »Sie sind, so sehen es einige alte Schriftsteller, die Seelen der gefallenen Engel. Andere glauben, sie wären ganz einfach Geschöpfe der Finsternis zwischen den We l ten. Ganz gleich, welche Vermutungen man über ihren Ursprung anstellt, sie begehren, nein, ihre Lust besteht nur nach einem: Kraft.«
»Aber wenn sie Geister sind«, meinte Bo, »dann können sie doch jeden beliebigen Ort aufsuchen, indem sie ihn nur denken, oder nicht?«
»Nach Äonen eines solchen Daseins, nutzt sich selbst der geistige Leib ab. Sie müssen daher von den unbedac h ten Seelen zehren, deren Lebenskraft geteilt oder an unge e ignete Objekte gebunden ist.«
»Sie meinen, wie die Seelen der Verdammten?«
»Auch dieser Ausdruck ist nicht treffend, aber ja, diese sind es, von denen sich die Dämonen ihre Kraft
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