Werwelt 03 - Der Nachkomme
mühelos und ohne Angst. Er hob sich vom Bett und fühlte die luftige Leichtigkeit seines, wie er es jetzt sah, ätherischen Körpers, der im Halbdunkel des Zimmers schwebte. Diesmal wart e te er absichtlich, um sich mit dem Zimmer vertraut zu m a chen. Er trieb zur Decke hinauf und schob seinen leuchte n den Arm durch Mörtel und Putz, als wäre es nur Rauch. In dem festen Ve r trauen, daß er in dieser Welt bleiben würde, dachte er schließlich, daß er nun nach draußen wollte und schwebte durch das Dach des Hauses.
Die funkelnde Stadt dehnte sich unter ihm, im Westen die flache Weite des Großen Salzsees, aus dem ein Berg emporragte. Sehr sorgsam dachte er daran, daß er Lilly Penfield finden wollte, wenn sie sich noch auf dieser Erde aufhielt. Er dachte ihren Namen nur im Zusammenhang mit ihren Aktivitäten als lebender Mensch. Weiter schwebte er über die Stadt, spürte das harte Funkeln der Sterne über ihm in der milden Frühlingsnacht. Es war Ende März jetzt, und die Bäume in den Parks trieben Knospen, einige hatten sogar schon Blätter. Er sprach ihren Namen und achtete wieder darauf, ihn mit Bezügen dieser Welt zu umgeben. Er verspürte ein sanftes Wehen, als hätte ein leichter Wind seine Wange berührt. Er unterdrückte ein Gefühl von Hoc h stimmung, als er sich in südlicher Richtung von der Stadt fortzubewegen begann. Wieder trieb ihr Name in seinen Geist, ungewollt diesmal, und er flog rascher über die Wüste hin, nach Südosten jetzt. Die Oasen von Vegetation, wo in der Wüste Städte wuchsen, glitten unter ihm weg, als hinge er still in der Luft, und die Welt drehte sich unter ihm.
Die scharf umrissenen Schatten von Monument Valley schossen unter ihm hinweg und zur Linken konnte er die fernen Lichter einer Stadt sehen, während er in südlicher Richtung weiterflog. Er war nicht sicher, in welchem Staat er sich jetzt befand, ob noch in Utah oder schon in Arizona oder vielleicht New Mexico. Das nächste Mal mußte er eine Karte mitnehmen, dachte er glückselig, während er wie ein fliegender Tourist zum gefurchten und bergigen Land hinunterblickte. Nun fiel er langsam zur Erde hinu n ter, und in seinem Herzen wuchs Erwartungsfreude. Lilly war doch noch in dieser Welt, denn er war ja diesen Weg gekommen, sie zu finden. Sie muß noch leben, dachte er, während sein Flug sich noch mehr verlan g samte, bis sein ätherischer Leib in der Dunkelheit über e i ner Landschaft hing, die mit schwarzen Steinen bestreut war.
Lange Zeit hing er dort und fragte sich, ob sie in dieser Wüste sein konnte, die sich wie die Oberfläche des Mondes nach allen Seiten ausbreitete. Die Erwartungsfreude, die er verspürt hatte, trübte sich, da er nichts sah und nichts hörte. Wieder dachte er ihren Namen, eindringlicher, doch sein Astralleib schwebte nur ziellos umher, als suchte er ein freundlicheres Büschel Beifuß oder einen interessanteren Turm gelber und schwarzer Felsen.
Bo wollte eben seinen Namen aussprechen, um in seinen Körper zurückzukehren und es dann noch einmal zu vers u chen, als er in seiner Nähe glühendes Leben sah, oder be s ser gesagt, spürte. Im ersten Moment war er überzeugt, daß es eine Illusion war, denn es war ein kaltes Glühen, wie das Licht eines Glühwürmchens, doch es bewegte sich mit gr o ßer Geschwindigkeit auf einem sprunghaften Pfad dahin. Das glühende Ding schoß über Felsbrocken und sprang über Büsche, flog in ausgetrocknete Arroyos hinein und wieder heraus und kam schließlich in einer wirbelnden Sandwolke zum Stehen. Einen Moment lang wurde das Glühen stärker, sank dann zu einem dunkelroten Schi m mern ab. Mit einem Gedanken schob Bo sich näher heran und versuchte hinunterzublicken, mit Augen zu sehen, die gar keine Augen waren.
Der rötliche Schein umschloß ein Geschöpf, das Bo jetzt erkennen konnte. Die Konturen des Körpers waren die e i ner langbeinigen Katze ohne Schwanz, mit einem bla u grauen Fell und merkwürdigen, beinahe menschlichen Händen. Es lag auf dem Boden der Wüste und verschlang ein Kaninchen. Sein Körper glühte wie ein überheizter Ofen. Bo kam noch näher und sah zu, wie die scharfen Zähne mit Bedacht das Kaninchen auseinandernahmen, während die Pfoten den toten Körper festhielten. Er spürte die Befriedigung, die von dem mächtigen Körper ausstrah l te wie die Hitze seiner Jagd, die das Tier noch in einer fe u rigen Aura umgab. Er war fasziniert, dem Tier zuz u sehen. Dies war das Tier, das Lilly gefangenhielt, das Tier, das ihn
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